Schmackhaft, deftig aber auch kalorienschwer: Schnitzel, Gulasch, Schweinsbraten, danach Kaiserschmarrn, oder Palatschinken – das Schlemmerherz nahezu jeden Wieners aber auch die meisten Besucher der Stadt assoziieren Wiener Lebensart noch immer zu einem nicht unwesentlichen Teil über die klassische Wiener Küche. Das ist durchaus gut so, weil auch Identität stiftend für die Bewohner der Donaumetropole und darüber hinaus fürs ganze Land; frei nach dem Motto: Sag´ mir was du isst, dann sag´ ich Dir woher Du kommst und wer du bist.

Längst jedoch ist die zu Großvaters Zeiten sich stolz als Monopol verstandene Wiener Küche nicht mehr konkurrenzlos. Alles fließt – eine Erkenntnis, die auch und vor allem vor dem Gaumen und seinen Geschmacksnerven nicht Halt macht.
Ferne Länder, weite Reisen mit Jetgeschwindigkeit, weltumspannende Kommunikation auf Knopfdruck in Bild und Wort samt Ton, aber auch die neue Völkerwanderung auf dem blauen Planeten haben die Essgewohnheiten seiner Bewohner hauptsächlich in den materiell wohlhabenden Regionen durcheinandergewirbelt. Vieles ist nicht mehr so wie es früher war.

Breite Palette internationaler Küche

Die Palette internationaler Küche in deren verschiedenartigsten Ausprägungen ist auch hierzulande mehr als bloß tellergroß. Es gibt de facto im angebotenen Kochreigen nichts, was es nicht gibt. Ob mongolisch, türkisch, persisch, orientalisch, spanisch, italienisch, französisch, amerikanisch, nah- und fernöstlich etc. etc. – die Genussspechte jedweder Orientierung kommen in der Bundeshauptstadt voll auf ihre Rechnung. Nahezu an jeder Ecke ein „Italiener“, auch wenn viele aus der Gilde der Pizzabäcker nicht aus dem Land, wo die Zitronen blühen, sondern von den östlichen, jenseits der Adria situierten Ländern stammen, oder ein „Asiate“, von den Wienern sprachlich und damit auch in geografischer Hinsicht vereinfacht zu Chinesen mutiert; vor allem deren Lokale bzw. Standeln sind in den vergangenen Dekaden geradezu wie Pilze aus dem Boden geschossen.

Vietnamesische Herdkünste für Klein und Groß im „Baomi“

Etwas abseits von diesem Mainstream hat sich mehr still als laut auch die vietnamesische Küche etabliert und findet wachsende Zustimmung auch bei den bodenständigen Wienern und Wienerinnen. Bislang gibt es bereits einige Dutzend Restaurants in der Bundeshauptstadt, die sich dem fernöstlichen Angebot des Landes am chinesischen Meer verschrieben haben. Sie alle hier aufzulisten, würde den Rahmen dieses Beitrags sprengen. Eines sei hier dennoch wegen seiner Außergewöhnlichkeit, zwei weitere wegen ihrer speziellen Kochkünste näher beschrieben.

Neugierde weckend und vor allem wegen der Geschäftsidee interessant ist das „Baomi“, das erste – in Wien-Alsergrund situierte – vietnamesische Bistro- und Kinder-Spiel-Cafe. Die Kids können unbeschwert spielen, während es sich die Eltern gemütlich machen. Dazu serviert die Küchenbrigade köstliche vietnamesische Speisen für Groß und Klein. Für den Aufenthalt der Kids in dem von Krabbelstube bis hin zur Puppenküche ausgestatteten Lokal gibt es je nach Aufenthaltsdauer gestaffelte Preise, die zum Beispiel im Fall einer Mindestkonsumation besonders günstig sind.

Guten Morgen, Vietnam

Auf völlig anderer Ebene ist das Restaurant „Good Morning, Vietnam“ im 9. Bezirk Alsergrund angesiedelt. Auch wenn der Name bei vielen Cineasten postwendend Assoziationen an den gleichnamigen Film von Regisseur Barry Levinson mit dem grandios aufspielenden Robin Williams in der Hauptrolle zu wecken vermag, so geht´s im gepflegten Restaurant in der Sechsschimmelgasse nicht einmal annähernd so martialisch zu. Und wenn manchmal doch ein wenig Hektik aufkommt, dann ausschließlich in der Küche, wo zu den oft voll besuchten Lokalzeiten Stress kaum vermieden werden kann.

Das „Good Morning, Vietnam“ ist ein gutes Beispiel, um die Unterschiede zwischen der vietnamesischen, der chinesischen und den anderen Küchen Asiens zu riechen und natürlich zu schmecken. Zwar gibt es zahlreiche Berührungspunkte, wie auch und vor allem beim Reis – das asiatische Grundnahrungsmittel schlechthin – doch das Anderssein liegt nicht nur im Detail. Die Küche des dezent höherwertig wie ebenso geschmackvoll eingerichteten Restaurants ist – wie immer wieder Vietnam-Reisende bzw. -kenner bestätigen – in weiten Bereichen authentisch. Alle Speisen, ob mit Fisch, Fleisch, Geflügel oder Wild, werden mit den Beilagen gefällig angerichtet, erfreuen somit auch das Blickfeld.

In der vietnamesischen Küche spielt das Gemüse eine besondere Rolle. Das merkt der Genießer auch im „Good Morning Vietnam“. Es harmoniert bestens mit den anderen Bestandteilen der jeweiligen Speise. Ob Nemrollen, Glücksrollen, die angebotenen Snacks, die bunten Salate, Nudelsuppen, Nudeln, Fleisch, Fisch – alles mundet ausgezeichnet. So wie die bis zu zehn Variationen angebotenen Mittagsmenüs insgesamt.

Qual der Wahl bei den Menüs

Hervorzuheben ist zudem bei den Menüs die Wahl zwischen kleinen, mittleren und großen Portionen. Wobei die Begriffe nicht gerade deckungsgleich mit der Realität der Größe der aufgetragenen Speisen sind. Für den Verfasser dieser Zeilen, gewiss kein schwacher Esser, ist nahezu stets bereits das mittelgroße Menü durchaus ein Sattmacher. Als persönlicher Favorit hat sich nach den mehrmaligen Besuchen das Menü mit den knusprigen Nem-Rollen mit Schweinefleischfüllung aus Reisnudeln und Salat herauskristallisiert. Für Freunde der fleischlosen Nahrungsaufnahme werden stets zwei Menüs angeboten.

Auch die kleine, aber feine Weinkarte ist von sachlicher Hand verfasst. Selbst kritische Weinliebhaber und Weinliebhaberinnen werden auf ihre Rechnung kommen. Da werden vinophile Köstlichkeiten u. a. vom Weingut Mayer am Pfarrplatz in Grinzing, vom Johanneshof in Tattendorf, vom Weingut Salomon aus dem Kremstal, vom Weingut Polz in der Südsteiermark, vom Weingut Altenburger aus Jois glasweise zu durchaus Brieftasche verträglichen Preisen angeboten. Bei den flaschenweise angebotenen Rebensäften stechen die Weingüter Biegler aus Gumpoldskirchen, Christ und Wieninger aus Wien- Stammersdorf wie ebenso das Weingut Jamek aus der Wachau hervor.
Zum Wohlfühleindruck im „Good Morning, Vietnam“ trägt auch der flotte, wie sachbeschlagene Service bei. Drei junge Damen, in landesübliche, fast bodenlange bunte Kleider gewandet, lesen die Wünsche der Gäste nahezu von deren Augen ab, erläutern über Wunsch mit sprichwörtlicher vietnamesischer Höflichkeit gerne die Zusammensetzung der Gerichte. Fazit: Ein Ethno-Lokal, das den Besuch lohnt.

Kochkunst-Kleinod Pho Hang

Ebenso einen Besuch wert, ist das Pho Hang. im 7. Bezirk, Neubau. Das räumlich kleine Lokal mit gerade mal einem Dutzend Tischchen ist zwar nicht so luxuriös möbliert wie das „Good Morning, Vietnam“, die Küche ist aber ebenso vorzüglich. Für Kenner sogar noch ein wenig authentischer, weil noch ausgeprägter auf traditionelle ländliche Kochkunst ausgerichtet. Auf Gemütlichkeit und ungekünstelte Gastfreundschaft wird hier besonders Wert gelegt. Wie ebenso auch auf die das Geldbörsel schonende Preisgestaltung. Das Pho Hang bietet ebenfalls wochentags eine Reihe von g´schmackigen Menüs an. Auch hier verursacht die umfassende Speisekarte bei nicht besonders Vietnam affinen Gästen ein wenig die Qual der Auswahl. Was letztlich allerdings kein Problem ist, weil der freundliche Service dem Ratsuchenden postwendend mit ausführlichen Erläuterungen zur Seite steht. Jeweils zwei Angebote von vietnamesischem und thailändischem Bier zusätzlich zu je einem Gerstengetränk aus Österreich und Deutschland sowie eine kleine, überlegt zusammengestellte Auswahl an Rebensäften österreichischer Provenienz bieten eine kongruente flüssige Begleitung zu den Speisen. Resümee unseres Besuchs: Eine kleine, aber feine gastliche Stätte (nơi hiếu khách) – so wie diese die echten Gourmets schätzen.

„Good Morning, Vietnam“
Sechsschimmelgasse 16
1090 Wien
Tel.: +43 1 307 31 61
www.goodmorningvietnam.at

Baomi – Kinderspielcafe Vietnam Bistro
Althanstraße 37
1090 Wien
Tel.: 01 9925758
www.baomi.at

Pho Hang
Vietnamese Cuisine
Zieglergasse 6
1070 Wien
Tel.: 01 9569305
www.pho-hang.at

Wer die Wahl hat, hat die Qual
Wo man auch noch gut isst

 

Geschrieben von Stefan Weinbeisser