Einmal mehr haben „Die Strottern“ gemeinsam mit der „Jazzwerkstatt Wien“ in „Sieben Zwetschken“ eine gekonnte Fusion aus Wienerlied und Jazz mit literarischer Tiefe hingelegt. Neben Karl Stirner und Christian Tesak konnten auch die vielfache Literaturpreisträgerin Teresa Präauer und der umtriebige Wiener Autor Lukas Meschik als Texter gewonnen werden. Das Album wurde im September für den „Österreichischen Jazzpreis 2025″ in der Kategorie „Bestes Album“ nominiert. Robert Fischer traf mit Klemens Lendl, David Müller und Clemens Wenger drei der neun Ensemble-Mitglieder zum Interview.
Clemens Wenger, „Sieben Zwetschken“ ist euer drittes gemeinsames Album. Wann und wie habt ihr euch kennengelernt?
Clemens Wenger: Wir haben 2005 mit der Jazzwerkstatt gestartet. Damals haben wir in Form eines improvisiert veranstalteten Festivals erste Gehversuche im WUK gemacht. Soweit ich mich erinnern kann, war einer der Gäste Klemens Lendl, der sich sehr jazzinteressiert gezeigt hat. Ein paar Jahre später kam dann Klemens wieder auf uns zu und hatte die Idee dass wir gemeinsam ein größeres Projekt nach dem Vorbild der Produktionen von Kurt Sowinetz ins Leben rufen.
Klemens Lendl: Sowinetz hat in den siebziger Jahren eine Reihe von legendären Alben gemacht. Das erste war 1972 „Alle Menschen San Ma Zwida“, dann wurden noch drei weitere LPs veröffentlicht. Er hat damals auf diesen Alben einige der leiwandsten Texter von Wien – darunter zum Beispiel Peter Orthofer, Trude Marzik, Wolfgang Teuschl – sowie einige der besten Wiener Jazzmusiker dieser – von Charly Ratzer über das Johannes Fehring-Orchester bis hin zu Richard Österreicher, Toni Stricker und andere Studiomusiker aus den legendären Austrophon-Studios – versammelt.
Clemens Wenger: Genau, so etwas in der Art wollten wir auch machen. Die Strottern waren damals schon bekannte Musiker, während wir von der Jazzwerkstatt eigentlich noch junge Studenten waren. Wir erhielten dann vom „Wean hean“-Festival einen Auftrag, so entstand das erste Programm dieser Zusammenarbeit. Als Jazzwerkstatt hat diese Konstellation, die jetzt schon über sechszehn Jahre Bestand hat, immer sehr getaugt. Wir haben dann 2009 ein Album produziert und später ergab sich die Möglichkeit unter anderem im Jazzclub Porgy&Bess regelmäßig als Stage-Band aufzutreten. Einmal hatten wir mehr Auftritte, dann wieder weniger aber das gegenseitige Interesse war immer da.


Clemens, Was schätzt du persönlich als Musiker an der Zusammenarbeit mit den Strottern?
Clemens Wenger: Es ist spannend so ein Crossover-Projekt zu wagen. Das ist zwar nicht unbedingt gleich einmal eine Erfolgsgarantie von der Ästhetik her, aber ich mag diesen Wagemut, etwas zusammenzuführen, was vom Charakter und der verschiedenen Musikstile auf dem Papier vielleicht gar nicht so einfach ist. Ich habe schon für verschiedene Ensembles komponiert, und bei allen bisherigen drei Alben der Jazzwerkstatt und den Strottern als Komponist mitgearbeitet. Mich interessiert das Vertonen von Texten, aber ebenso das Schaffen von Freiräumen von improvisatorischer Seite.
Auf dem Album „Sieben Zwetschken“ sind neben Texten von Klemens Lendl erneut auch Texte von anderen Autoren zu hören. Nach welchen Gesichtspunkten sucht ihr Texte für das Projekt aus?
Klemens Lendl: Wir sind eigentlich immer am Schauen. Für das neue Album haben wir uns vorgenommen neue Texter und Texterinnen wie eben zum Beispiel Theresa Präauer zu finden, mit denen wir zusammenarbeiten wollen. Ich verfüge mittlerweile über eine recht große Sammlung an Texten, die in Frage kommen und mit denen ich dann immer recht lange Zeit verbringe. Ich überlege, denke nach und schaue: was passt zu mir als Sänger beziehungsweise was ist ein Text, den ich verkörpern kann? Manche Texte fallen dann wieder weg, weil ich sie nicht singen möchte.
Gibt es Texte wo dir gleich beim ersten Lesen eine Melodie dazu einfällt?
Klemens Lendl: Ja schon, wobei es aber diesmal eher so war, dass ich überlegt habe, wer von den Komponisten kommt für den jeweiligen Text in Frage? Zum Teil haben wir uns dann zu dritt, also David, Clemens und ich mit dem Material beschäftigt, zum Teil trafen wir uns mit Autor Peter Ahorner zusammengesetzt oder ich habe die AutorInnen direkt kontaktiert. Die Herangehensweise ist bei jedem Stück sehr unterschiedlich. Manchmal war die Musik schon vorher da – zum Beispiel habe ich von Clemens schon verschiedene Stücke gehabt, wo dann mir dann ein Text dazu eingefallen ist – oder bei einem Stück setzt sich das Lied aus zwei Texten zusammen. Manchmal muss man auch etwas an den Texten herumfeilen, damit sie zur Musik passt oder umgekehrt.
Wie ist das Stück „Sieben Zwetschken“, das zum namensgeber des Albums wurde, entstanden?
David Müller: Für den Text von „Sieben Zwetschken“ hat Clemens den Vorschlag gemacht als Untermalung „Jump Blues“ (eine Uptempo-Variante des Blues mit Big-Band-Elementen aus den 1940er Jahren, Anm. d. Red.) zu verwenden. Dann haben wir ein bisschen gejammt, es gab auch schon ein wenig Text. Das geht dann zwischen uns meistens recht schnell, wie so eine Art „Ping Pong“ oder ein „Ringerl“ beim Tischtennis. Wir spielen uns gegenseitig die Ideen zu. So auf die Art: Kannst du was anfangen mit dem Ball den ich dir da zugeschupft habe? Durch die jahrelange Zusammenarbeit kennt man sich natürlich auch schon recht gut, da kann sowas funktionieren.
Klemens Lendl: Da gehört natürlich auch eine Menge Vertrauen zu den Bandkollegen dazu – in dem Sinn, dass jeder Musiker in der Gruppe alles gut macht, aber auch dass der Musiker weiß, wie ich was meine beziehungsweise weiß, was ich brauche und dass ich das auch kriege, ohne viel drüber zu reden. Man kennt sich gut, hat Vertrauen und ich will dann unbedingt dass jeder einzelne im Ensemble bei der Musik funkeln und strahlen kann!
Beim Stück „Wenn ka Teufel nicht wär“ stammt der Text von Johann Nestroy. Wie kam es dazu?
Klemens Lendl: Ja, das ist die Vertonung eines Couplets aus der Posse „Höllenangst“. Da heißt es so schön: „Ich lass mir meinen Aberglaubn/Durch ka Aufklärung rauben!“. Ich finde, treffender könnte man den gegenwärtigen Strudel aus alternativen Fakten in der Politik kaum beschreiben. Das war nicht nur im Jahr 1850 aktuell sondern auch jetzt. So nach dem Motto: Glauben wir noch ans Wissen oder nicht? Der Mix aus Blues-Marsch und Walzer den Clemens dazu komponiert hat, passt da meiner Meinung nach gut dazu.
Habt ihr auf „Sieben Zwetschken“ einen besonderen Favoriten?
Clemens Wenger: Was mir gut gefällt ist „Es rengt“, das trifft meinen Geschmack. Irgendwie von der Stimmung her ein bisschen „mellow“, dunkel aber weit.Das ist ein schönes Klangbild.
Klemens Lendl: Die Musik zu „Es rengt“ von Clemens kenne ich schon sehr lange. Dann ist mir eben der Text von Christian Tesak untergekommen, der lange mit dem Duo „Tesak&Platzek“ unterwegs war. Christian schreibt wunderbare Texte, singt selbst und spieltAkkordeon. Uns gefällt vor allem sein Humor, und er hat eine gute Beobachtungsgabe. Normalerweise hätten wir diesen Text nie vertont, da er nur aus den drei Sätzen „Es rengt – aber zum Glück nur vor der Tür“ besteht. Also keine großartige Story, sondern ein sehr minimalistischer Text. Irgendwann bin ich draufgekommen, dass der Text wunderbar zu der kontemplativen Musik von Clemens dazu passen könnte.
Zum Abschluss (m)eine klassische Interview-Frage. Welches Album würdet ihr auf eine einsame Insel mitnehmen?
Klemens Lendl: Schwierige Frage. Ich würde mir da von Charlie Haden „Liberation Music Orchestra“ aussuchen.
Clemens Wenger: Für mich entweder Tracy Chapman´s Debüt-LP oder das Album „Ella & Basie“ von Ella Fitzgerald und Count Basie.
David: Ich höre privat sehr wenig Musik. Aber wenn ich ein Album nennen soll, dann „Sience“ von Thomas Dybdahl.
Das Wienerlied-Duo „Die Strottern“ mit Klemens Lendl (Gesang, Violine) u. David Müller (Gesang, Gitarre) und die „Jazzwerkstatt Wien“ bestehend aus Clemens Salesny (Alto- u. Tenorsaxophon, Klarinette), Martin Eberle (Trompete, Flügelhorn), Martin Ptak (Posaune), Peter Rom (Gitarre), Clemens Wenger (Klavier, Keyboards), Bernd Satzinger (Bass) sowie Lukas König (Drums) formierten sich 2008/2009 zu einem gemeinsamen Projekt. Neue Texte (u.a. von Peter Ahorner, Karl Stirner, Klemens Lendl, Stefan Slupetzky ) aus Wien treffen auf junge und experimentierfreudige Jazzmusiker. 2009 erschien das erste Album „Elegant“, 2015 wurde der Nachfolger „Wo fangts an“ veröffentlicht. Neben zahlreichen Konzerten in Österreich wurde die Formation zusätzlich für einen längeren Zeitraum als monatlich auftrete „Stageband“ im Wiener Jazzclub „Porgy & Bess“ gebucht. Am 13. Juni 2025 erschien das neue Album „Sieben Zwetschken“ auf JazzWerkstatt Records.
http://diestrottern.at/
https://jazzwerkstatt.at/de
Titelbild:© Victoria Nazarova

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