Das schillernde Leben der Philosophin, Gesellschaftskritikerin, Utopistin und Kämpferin für die Frauenrechte Rosa Luxemburg ist auch heue noch Gegenstand intensiver politischer Debatten.
Der 15. Jänner 1919 in Berlin ist ein nasskalter Wintertag mit beißendem Wind und Schneefall. Soldaten des Freikorps patrouillieren durch die Stadt und verhaften wenige Tage nach der blutigen Niederschlagung des Januaraufstands die untergetauchten Führer des Spartakusbunds, Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht. Sie verschleppen die beiden Exponenten der revolutionären Bewegung in das Hauptquartier des Freikorps, misshandeln sie und ermorden beide heimtückisch. Die Leiche von Rosa Luxemburg werfen sie in den eisigen Landwehrkanal, wo sie erst Ende Mai 1919 gefunden wird.
Herausragende politische Persönlichkeit
Wer war diese Frau, die selbst 100 Jahre nach ihrem gewaltsamen Tod von politisch links stehenden Bewegungen zum Teil noch immer hoch verehrt, von Konservativen und Rechten des politischen Spektrums geradezu verabscheut wird? Eine allgemein akzeptierte Antwort lässt sich auch heutzutage nur äußerst schwer formulieren. Zu viele Einschätzungen werden von Verklärungen, andere wiederum von Vorurteilen bestimmt. Unbestritten ist hingegen, dass Rosa Luxemburg eine der herausragenden politischen Persönlichkeiten in der von geopolitischen Verformungen gekennzeichneten Wendeepoche des ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts gewesen ist.
Unpassend ins damalige gesellschaftliche Zeitbild
Konsequent und messerscharf denkend, brillant, aber auch nicht selten zynisch formulierend, beschrieben sie ihre Weggenossen und Anhänger. Eine Frau, die das damalige geistige und daraus resultierende verbale Selbstverständnis einer von Männern dominierten Welt ausgeprägt in Frage stellte. Sowohl als leidenschaftliche Pazifistin als auch als heftige Kritikerin der bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaft sowie als Kämpferin für die Rechte der Frauen für ein selbstbestimmtes Leben. Damit passte sie – auch als eine der wenigen zu jener Zeit Akademikerinnen und nicht zuletzt als Jüdin – nicht in das damalige gesellschaftliche Zeitbild.
Kritische revolutionäre Demokratin
Mit aller Kraft versuchte die aus dem russisch besetzten Teil Polen stammende, später durch Ehe deutsche Staatsbürgerin den Ersten Weltkrieg zu verhindern, geißelte ihre Partei, die Sozialdemokraten, für deren Zustimmung zum so genannten „Burgfrieden“, die es der Regierung ermöglichte Kredite für die Kriegsführung aufzunehmen. Letztlich brach sie mit der SPD und gründete gemeinsam mit Karl Liebknecht die Kommunistische Partei Deutschlands. Zwar begrüßte sie grundsätzlich die russische Revolution, blieb aber als „revolutionäre Demokratin“ kritisch und attackierte die diktatorische Politik der Bolschewiki, also letztlich der russischen Kommunisten. Ihre vehemente Ablehnung des preußischen Militärsstaates wie insgesamt von Diktaturen lässt sich wohl am Besten an ihrer historisch bedeutenden Aussage: „Freiheit ist immer die Freiheit des Andersdenkenden“ festmachen. Auch ihr Zitat: „Man kann die Menschen nur richtig verstehen, wenn man sie liebt“, unterstreicht die humanistische Einstellung von Rosa Luxemburg.
Ziel gerechtere Gesellschaft
In zahllosen Artikeln in den sozialdemokratischen Medien aber auch in Büchern nimmt sie zu gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und kulturellen Themen prononciert Stellung, erläutert ihre Vorstellungen von einer gerechteren Gesellschaft. Mehrmals gerichtlich, unter anderem wegen Aufforderung zum Ungehorsam gegenüber Gesetzen und gegen Anordnungen der Obrigkeit“, sowie „Wehrkraftzersetzung“ verurteilt, agiert sie nach ihren Haft-Entlassungen ungebrochen weiterhin im Sinne ihrer gesellschaftspolitischen Vorstellungen bis zu ihrem gewaltsamen Tod im 49. Lebensjahr im Jänner 1918.
Was blieb von den Ideen Rosa Luxemburgs?
Einige von den Ideen Rosa Luxemburgs, die damals als weltfremd, ja utopisch, bezeichnet wurden, haben heute Eingang in legistische Regelungen gefunden. So unter anderem die Anerkennung der gleichen Rechte für Männer und Frauen – auch wenn diese im Alltagsleben noch immer nicht vollständig in die Köpfe so mancher Zeitgenossen gedrungen ist.
Leider hat sich auf anderen Gebieten nicht allzu vieles grundlegend und nachhaltig gewandelt. Wie unter anderem der weltweit – speziell in den USA und in Europa – wieder erstarkte Zug zum Nationalismus mit all seinen für den Zusammenhalt der Gesellschaft und damit der Demokratie gefährlichen Begleiterscheinungen unterstreicht. Die bestehende und sich laufend vertiefende Kluft – und damit Ungerechtigkeit – zwischen den wohlhabenden und den sozial schwächeren Bevölkerungsschichten ist ebenso Faktum. Wie das noch immer zu geringe Maß an Selbstbestimmung des einzelnen Individuums. Es gibt also im Sinne des Zieles von Rosa Luxemburg nach einer besseren, weil gerechteren und damit friedfertigen Welt noch unendlich viel zu tun.
Buch- und Filmtipps:
Rosa Luxemburg: Denken und Leben einer internationalen Revolutionärin (Edition Linke Klassiker). Hrsg. Fritz Keller und Stefan Kraft. Promedia: Wien 2005.180 Seiten. ISBN: 978-3-85371-232-0. 12,90 Euro.
Briefe aus dem Gefängnis. Anaconda Verlag: 2017. ISBN: 978-3-7306-0449-6. 96 Seiten. 4, 95 Euro.
Evans, Kate: Rosa. Die Graphic Novel über Rosa Luxemburg. Dietz Verlag: Berlin 2018. ISBN 978-3320023553. 228 Seiten. 20 Euro.
Rosa Luxemburg. Ein Film von Margarethe von Trotta. Mit Barbara Sukowa, Otto Sander, Doris Schade und Daniel Olbrychski. DT/CZ 1986. 123 Minuten.
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