Viel war zu lesen über die Bukarest Biennale hierzulande. Wenig verwunderlich: Fiel der Amtsantritt des neuen Kunsthallendirektors Nicolaus Schafhausen quasi in einen Topf mit seiner Ernennung zum Kurator der rumänischen Kunstschau. Doch Schafhausen legte seine Kuratorenschaft nieder und mit ihm die Presse das Thema offensichtlich ad acta. Nicht die einzige Sache, die irgendwo zwischen Song Contest und Life-Ball-Euphorie der vergangenen Tage verlorenging.
Verschwunden ist auch Schafhausens ursprüngliches Konzept. Denn der neu ernannte Kurator Gergő Horváth setzte statt auf die Spannungsfelder zwischen persönlicher und nationaler Identität lieber auf Angst als Verständnisinstrument und kreierte den etwas verwirrenden Titel „Apprehension. Understanding through fear of understanding“, der mit der doppelten Bedeutung des Wortes Apprehension für „dunkle Vorahnung“ und „Verständnis“ spielt. Ein Wortspiel, das auch nach mehrmaliger Vergegenwärtigung wenig an Klarheit gewinnt. Es bedarf der Lektüre des teilweise vor Gelehrsamkeit überquellenden Katalogs, um erste Blitze der Erkenntnis ins Dunkle verdrehter Gehirnwindungen zu bringen. Am besten das theoretische Konstrukt mit einem lokalen Augenschein verbinden – und man ist mittendrin in einer Biennale, die irgendwo zwischen topmotiviert, vage und für einige BesucherInnen surreal angesiedelt ist.
Alleine mit Telefon
Surreal insofern, als dass sich das Auffinden der einzelnen Venues mitunter als Schnitzeljagd erweisen kann. Beispielsweise wenn man als euphorischer Kunstliebhaber eine Stunde im Kreis auf der Suche nach dem Ausstellungsort (offensichtlich gibt es in Bukarest gewisse Adressen gleich zweimal) umherirrt und dann beim Betreten des stillgelegten Geländes einer ehemaligen Plastikfabrik für künstlerische Produkte feststellen muss, dass man nebst einer Ticketkontrolleurin im Eingangsbereich offensichtlich die Einzige war, die den Weg in die für AusländerInnen sprichwörtliche Pampa angetreten hat. Macht aber nichts (zumindest für die ungestörte Rezeption), denn was man nach dem Vorzeigen seines kleinen Schwarzweißzettels, der als Eintrittskarte für alle vier Biennale-Locations gilt, zu sehen bekommt, entschädigt für die Anreise-Strapazen über den Bukarester Stock und Stein. Es ist – ein goldenes Telefon, das von oben beleuchtet in der Mitte der vor Einsamkeit strotzenden riesigen Fabrikhalle thront. Eine simple und einprägsame Reminiszenz an jenen berühmten roten Apparat, der als heißer Draht zwischen Moskau und Washington fungierte. Ein magisches Augenzwinkern von dem aus Belgien stammenden Filip Gilissen.
Von Tod, Frieden und der Liebe
Gilissen ist einer von insgesamt 20 KünstlerInnen, die heuer bei der Bukarest Biennale mit Arbeiten vertreten sind. Zwei weitere Ausstellungsstücke sind im Obergeschoß zu bestaunen. Darunter auch der zweite Teil von Jan Kailas Projekt „Second Death“, für das der finnische Künstler die auf Grabsteinen angebrachten Bilder abfotografierte. Die Aufnahmen, zu Lebzeiten der Verstorbenen aufgenommen, erinnern uns an die Sichel des Todes, die stets über unseren Köpfen schwingt.
Der zweite Teil der Installation ist im Pavillon Center for Contemporary Art and Culture zu betrachten. Im Pavillon, gelegen im akademischen Viertel, finden auch die wöchentlichen Diskussionen statt, die, soviel sei im Hinblick auf die gewünschte Internationalität der Biennale hier kritisch angemerkt, ausschließlich in rumänischer Sprache über die Bühne gehen. Was vermutlich in erster Linie daran liegen dürfte, dass alle an den Gesprächen teilnehmenden KünstlerInnen wie Zoltán Béla, Adrian Dan oder Gabriel Stoian rumänischer Abstammung sind. Letzterer ist bei der Biennale mit einem ausgestopften Raben mit einem Ölzweig im Schnabel vertreten: Laut Stoian ein Verweis auf die verschiedenen Bedeutungen, die der Rabe in unterschiedlichen Kulturzonen innehat.
Fünf Meter weiter von der im „Romanian Peasant Museum“ untergebrachten Vitrine mahnt Bjørn Erik Haugens (NO) Transparent „We could, and we might“ zum einen an die Gefahren des Terrorismus, zum andern aber auch an die Angst des Staates vor einem Umsturz. Nicht die einzige Arbeit, die stark politisch motiviert ist. Eine davon musste allerdings im Vorfeld gecancelt werden. Geplant war ein Auto mit einem großen Werbebanner mit der Aufschrift BB+ – die von der Ratingagentur „Standard & Poor’s“ vergebene Einschätzung der Kreditwürdigkeit Rumäniens – durch die Straßen Bukarests fahren zu lassen. Als Grund für die Absage wurde das Nichteinhalten des Vertrags von Seiten der beteiligten Werbeagentur angegeben. Den Weg zwar nicht auf die Straße, aber immerhin in den Ausstellungsraum erfolgreich angetreten hat hingegen Erwin Wurms – der einzige vertretene österreichische Künstler – Fotoserie „Be a Terrorist“, in der Wurm u.a. auch die Normen unseres sozialen Verhaltens hinterfragt. Sie hängt in unmittelbarer Nachbarschaft zu Carlos Aires (ES) bekanntem Herz aus gravierten Messern „How deep is your love“, eine der wohl eindeutigsten Werke, die einem auf seiner abenteuerlichen Wanderung durch die Venues ins Auge sticht.
BB6 – Bukarest Biennale 6
Noch bis 24. Juli 2014
www.bucharestbiennale.org
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