Du sollst nicht vom Weg abkommen, mahnt schon die Mutter ihr Rotkäppchen. Doch das Mädchen hat seinen eigenen Kopf. Es gilt die Welt zu entdecken. Auch wenn darin so mancher böse Wolf haust, der danach trachtet das junge Ding nach Strich und Faden zu manipulieren. Doch so ist das halt: irgendwann hinterlassen auch andere Menschen als Eltern Spuren in unserem Leben, tief graben sie ihre Krallen in die Seelen. Küsse und Bisse, das wusste schon Heinrich von Kleist zu reimen.
Wie würden wir aussehen, wenn die Spuren vergangener Beziehungen auch an unseren Körpern sichtbar wären, fragt sich eine Frau im Stück. Eine andere öffnet jeden Tag aufs Neue eine Wunde, die ihr ein Exfreund zugefügt hat. Die Erinnerung an ihn, will sie auch ins Fleisch geschrieben sehen.

Es sind unheimlich sinnliche Geschichten, die Marie Brassard für „Peepshow“ ursprünglich zu einer One-Women-Show verflochten hat. Tanja Golden und Lisa-Lena Tritscher inszenieren für drei. Drei Frauen, die Mann und manchmal auch Tier sind (Anna-Eva Koeck gibt den Wolf mit französischem Akzent). Unschuldig und schuldig. Opfer und Täterin – die Grenzen verschwimmen. Animalisches trifft auf Archaisches – der Mann als Jäger, die Frau als Gejagte oder ist es doch umgekehrt? Eine Frage – vermutlich so alt wie die Menschheit.

Über die Schwelle

Dem lustvollen Spiel mit Stalker folgt eine unbefriedigende SM-Erfahrung (mit voyeuristischem Hund), der Geschichte eines jungen Mädchens, das von ihrem Freund nur wegen ihres Hundes gemocht wird, geht ein Tête-à-Tête mit einem Monster am See voran: die Neugierde lässt uns so manche Schwelle übertreten.
„Als Teenager ging ich die ganze Nacht aus und suchte nach dieser Tür in eine andere Welt“, sagt Schauspielerin Johanna Hainz. Diese Welt liegt in uns. „Peepshow“ führt hinein in unseren Kopf, in unsere Phantasien und zu unentdeckten Wünschen. Vieles bleibt für uns (Zuseher) im Dunkeln. Schranken werden aufgebaut, niedergerissen und wieder aufgebaut – das Bühnenbild besteht aus vier Barrieren aus gefalteten Kartonstreifen, die je nach Szene verschoben werden. Die Kostüme sind ebenso einfach gehalten. Das Spiel wirkt dafür umso köperbetonter. Besonders Anna-Eva Koeck windet sich ausdrucksstark zu den manchmal gar sphärisch anmutenden düsteren Klängen von Thomas Käfel. Mit Ohrwürmern wie „I put a spell on you because you’re mine“ und „Are You Lonesome Tonight“ wird man nach einem unterhaltsamen Abend in die Nacht hinaus entlassen. Was man damit macht bleibt jedem selbst überlassen.

Peepshow
Ein elektronisches Musiktheaterstück
Mit: Johanna Hainz, Anna-Eva Koeck, Lisa-Lena Tritscher
nach dem Auftritt im Kosmos Theater

9. Mai bis 10. Mai 2019, Beginn: 20 Uhr
Werner Berg Museum
Oktober Platz 4
9150 Bleiburg
www.kib-bleiburg.at

4. März 2020
Stadttheater Leoben
Weitere Termine in der Steiermark folgen

© Fotos: Christoph Liebentritt

Geschrieben von Sandra Schäfer