Seit rund 20 Jahren entwickelt Arno Steinwender Gesellschaftsspiele – und das äußerst erfolgreich. Bereits mit seinem ersten Spiel „Venga-Venga!“ konnte er 2004 einen „Spielehit für Kinder“ landen; sein Quizspiel „Smart 10“ wurde vergangenes Jahr mit dem Österreichischen Spielepreis „Spiel der Spiele“ ausgezeichnet. Als Herausgeber von www.spieletest.at frönt er zudem selbst regelmäßig der Spielleidenschaft und versorgt die Community mit Neuigkeiten rund ums Spiel.

Für die Kulturfüchsin hat sich Österreichs derzeit vermutlich erfolgreichster Entwickler von Brett- und Quizspielen Zeit genommen, ein paar Fragen zu beantworten: von ersten Anfängen bis hin zu neuesten Entwicklungen.

Totgesagte leben bekanntlich länger: Brettspiele erleben derzeit (nicht nur aufgrund von Corona) einen enormen Aufschwung. Inwiefern haben analoge Gesellschaftsspiele auch vom Digitalen in den vergangenen Jahren profitiert?

Es stimmt, das Brettspiel wurde regelmäßig totgesagt. Man sieht jedoch, das Gegenteil ist der Fall. Schon in der letzten Wirtschaftskrise konnte man – im Vergleich zu anderen Branchen – ein leichtes Wachstum beobachten. Je mehr man vor dem Bildschirm sitzt, desto mehr möchte man auch mal weg von der digitalen Welt und ein analoges Spiel spielen. Im Unterschied zu Onlinegames sehe ich bei einem Brettspiel wesentlich mehr die Emotionen meines Gegenübers. Dieses gemeinsame Erleben, ist meiner Meinung nach, einer der stärksten Gründe, warum der Markt wächst.

Der Umsatz von Erwachsenenspielen ist 2020 um ca. 30 Prozent gestiegen. Einen großen Anteil am Zuwachs haben Escape-Spiele. Puzzles für Erwachsene weisen sogar ein Umsatzplus von über 60 Prozent auf. Woran liegt das?

Escape-Spiele und Puzzles haben am meisten von der Krise profitiert, einfach weil sie sich gut alleine oder in kleiner Runde spielen lassen. Auch ich habe im Lockdown nach zwanzig Jahren wieder einmal ein Puzzle gelegt. Interessanter finde ich allerdings – natürlich auch weil es mich selbst betrifft – dass auch die Nachfrage an analogen Quizspielen über die Jahre wieder zugenommen hat. Einen Markt, den man aufgrund der zahlreichen Onlinequiz schon fast zur Gänze abgeschrieben hat. Aber es ist doch so, dass bei einem analogen Quizspiel eine ganz andere Dynamik entsteht.

Wie hat sich der Spielemarkt in den letzten Jahren entwickelt? 2004 wurde beispielsweise zum ersten Mal auch der Österreichische Spielepreis vergeben…

Preise wie diese wirken sich sicherlich positiv auf den Markt aus. Der Österreichische Spielepreis kürt ja nicht nur das „Spiel der Spiele“, sondern auch Spielehits in verschiedenen Kategorien – darunter den Spielehit für Kinder, Familien, Freunden, Karten oder Experten. Mittlerweile herrscht ein weit aus breiteres Spektrum an Spielen am Markt als noch vor 20 Jahren. Vom familientauglichen Gesellschaftsspiel bis hin zum komplexen Expertenspiel, das auch mal eine Spielzeit von bis zu 20 Stunden aufweisen kann, können heute alle Spielerinteressen bedient werden. Auch die Zahl der Verlage hat sich in den letzten zehn Jahren vermutlich verzehnfacht. Spieleentwickler nutzen heute zudem auch die Möglichkeit Spiele mit Hilfe von Kickstarter auf den Markt zu bringen. Familienspiele werden allerdings nach wie vor eher von klassischen traditionellen Verlagen produziert.

Österreich ist stark an den deutschen Spielemarkt angebunden. Hierzulande gibt es beispielsweise kaum große Verlage. Woran liegt das? Und spielen die Österreicher ähnlich wie die Deutschen?

Deutsche und Österreicher spielen tatsächlich sehr ähnlich. Wenn man zum Beispiel nach Frankreich schaut – dort sind Wortspiele sehr beliebt. In Amerika und England gibt es vor allem Lizenzspiele, z.B. Star Wars Monopoly usw. Diese lizensierten Spiele haben aber den Ruf nicht immer die Besten zu sein. Es herrscht ein großer Druck sie termingerecht auf den Markt zu bringen. Am deutschsprachigen Markt gibt es hingegen ein großes Angebot an Autorenspielen. Unter den Entwicklern sind auch viele Österreicher. Was auffällig ist, ist, dass die meisten im Osten des Landes und in Wien beheimatet sind.

Sie selbst arbeiten immer wieder mit anderen Entwicklern und unterschiedlichen Verlagen zusammen. Könnten Sie ein paar Beispiele für Projekte nennen, an denen Sie in letzter Zeit mitwirken konnten?

Ein Spiel, bei dem ich unlängst mitarbeiten durfte, ist „CloudAge“ – ein Strategiespiel, das im Wiener Eigenverlag „nanox“ erschienen ist. Bei Ravensburger wird im Mai das Spiel „Ich fahr ab auf Österreich“ erscheinen. Eine interessante Entwicklung sind derzeit sicherlich auch so genannte Hybridspiele – ein analoges Spiel, das mit Smartphones arbeitet. In Österreich ist als einer der wenigen „rudy games“ auf diesen Zug aufgesprungen. Gemeinsam haben wir das Quizspiel „Quiz it“ entwickelt.

In der Computerspielszene sind es vorwiegend Männer, die Spiele entwickeln. Wie sieht es in der Brettspielszene mit der Beteiligung von Frauen aus?

Ich würde sagen, das Verhältnis zwischen Spielern und Spielerinnen ist ausgeglichen. Das einzige, was ich beobachte, ist, dass sich Männer traditionell mehr Zeit für ihr Hobby nehmen als Frauen. Bei den Entwicklern sind definitiv noch die Männer vorherrschend. Aber man freut sich in der Szene, wenn auch Frauen verstärkt beginnen Spiele zu entwickeln. Hier ist durchaus ein gewisser Aufwind spürbar. Auch sonst gibt es Frauen, die in der Szene tätig sind. Die Spieleagentur„White Castle Games“ hat beispielsweise eine Frau als Chefin. White Castle organisiert ein Mal in der Woche einen Stammtisch. Dort hat man Gelegenheit andere Entwickler und Entwicklerinnen zu treffen und deren und eigene Prototypen zu spielen

Wie sind Sie selbst Entwickler geworden? Und was sollte man mitbringen, wenn man diesen Beruf ergreifen will?

Ich habe immer schon gerne selbst gespielt. Irgendwann dachte ich, ich schaue, ob ich es schaffe, selbst ein Spiel auf den Markt zu bringen. Mittlerweile kann ich sogar fast davon leben. Was man auf jeden Fall braucht, sind gewisse Vorkenntnisse am Computer, um einen Prototypen entwerfen zu können. Man sollte zudem mit Mathematik etwas vertraut sein, weil man Spielzüge berechnen muss. Kreativität ist natürlich Voraussetzung und auf jeden Fall viel Durchhaltevermögen. Manche Verlage bekommen Hunderte oder sogar Tausende Ideen im Jahr zugesendet. Die Spiele bleiben oft liegen und es dauert lange bis man ein Feedback bekommt. Damit muss man dann auch umgehen lernen, Kritikpunkte annehmen und weiter machen. Bis das Spiel erscheint, vergehen oft Jahre.

Derzeit blüht der Onlinehandel, was für den Einzelhandel einen erheblichen finanziellen Einschnitt bedeutet. Denken Sie, werden die Menschen – auch jene, die das Spielen jetzt erst (wieder)entdeckt haben – nach der Coronakrise ihren Weg erneut in die Geschäfte finden?

Vielspieler werden auf jeden Fall auch weiterhin Fachgeschäfte aufsuchen. Gerade bei komplexeren Spielen ist die Beratung durch den Verkäufer ein wichtiges Element. Da herrscht oft ein starkes Vertrauensverhältnis. Verkäufer wissen, was sie empfehlen, wenn einem dieses oder jenes Spiel gut gefallen hat, versorgen einen mit Tipps usw.

Ein weiterer Sektor, der aufgrund von Corona mit massiven Einschnitten rechnen musste und nach wie vor muss sind Messen? Was bedeutet das für die Spieleszene?

Eine Messe wie jene in Essen im Herbst ist vor allem für Kickstarter und Kleinverlage wichtig. Leute, die sich dort einen Stand mieten, haben oft „nur“ einige Hundert bis 2000 Spiele produziert. Manchen gelingt es durch Mundpropaganda auf sich aufmerksam zu machen. Ein Stand mit einem interessanten Spiel spricht sich bei der Laufkundschaft herum. Nicht alle verfügen über die Möglichkeit ihr Spiel online zu vermarkten. Diese müssen jetzt bis zur nächsten Messe warten. Bei großen Verlagen sehe ich weniger Nachteile durch die Krise.

Zur Person:
Arno Steinwender studierte Mathematik und Physik 
und arbeitete im Anschluss als Lehrer. 
In seiner Freizeit begann er Gesellschaftsspiele zu entwickeln, 
die mehrfach ausgezeichnet wurden. 
Darunter „Venga-Venga!“, „Take it or leave it“ und „Smart 10“. 
"Smart 10" ist mittlerweile in 20 Ländern erschienen 
und hat mehrere internationale Preise gewonnen. 
Seit Jahren betreibt Steinwender zudem die 
Internet-Plattform www.spieletest.at.

Weitere Links:
http://www.arnosteinwender.com
https://www.piatnik.com/spiele/gesellschaftsspiele/familienspiele/smart-10
https://www.nanox.games/
https://rudy-games.com

Titelbild: Beim Spielen von Arno Steinwenders „Smart 10“ © Piatnik

Geschrieben von Sandra Schäfer