Hier ein „Teeküche“, dort ein „Toilette“ – oft sind diese alten verbliebenen Inschriften die einzigen Anzeichen, was sich einst in den heute verlassenen und heruntergekommenen Geschäftslokalen befunden hat. Während mancherorts alte Lokale mit neuem Leben erfüllt werden, bleiben sie anderorts unbelebt. Gerade in wenig erschlossenen oder strukturschwachen Stadtteilen und Grätzln häufen sich die Leerstände mit der Zeit – die Digitalisierung hinterlässt ihre Spuren auch im nicht-virtuellen Raum. Leere Auslagen, verschlossene Türen und vernagelte Fenster zeugen vom verlorenen Wettkampf diverser althergebrachter Klein- und Familienbetriebe mit dem Onlinehandel oder schlicht vom Wandel und dem Voranschreiten der Zeit. Eine Zeit, die von vielen, was das Gemeinschaftsgefühl anbelangt, zunehmend kälter empfunden wird. Die vermeintliche Lösung: Sharing Economy. Übersetzt: eine „Ökonomie des Teilens“ als Gegenstrategie für soziales Auseinandertriften und zu steigenden Lebenserhaltungskosten.
Doch was wenn dieses wirtschaftliche Gegenkonzept wiederum kommerzialisiert wird? Wenn heute so moderne Kleinstselbständige als Teil großer  Sharing Economy Unternehmen erneut den Kürzeren ziehen? Fragen, die im Rahmen des installativen Stationentheaters „Habenichtse“ vom Verein Tempora teils bewegend, teils humorvoll verhandelt werden.

Von Dingen und Menschen

Ziel des von Schauspielerin und Regisseurin Veronika Glatzner initiierten Projektes ist es Stadtteile mit vermehrt leerstehenden Lokalen mit den Mitteln des Theaters und Tanztheaters kulturell zu beleben. Dem Konzept folgend wandelt man noch bis 21. April mit einem kleinen Programm-Stadtplan ausgestattet im Fasanviertel frei zwischen fünf Spielstätten umher. Die Wahl der Reihenfolge der Stücke bleibt jedem selbst überlassen. Obwohl es sich zumeist nicht vermeiden lässt, mitten im Stück „hereinzuplatzen“, ist der Einstieg in die kurzen Texte von fünf unterschiedlichen Autorinnen und Autoren, die je an einer Lokalität von einer Schauspielerin beziehungsweise einem Schauspieler im Loop vorgetragen werden, leicht. Lediglich Grischka Voss spielt ihren Monolog selbst. Als Ausganspunkt wählte die Schauspielerin und Tochter des Burgschauspielers Gert Voss den Verlust der Eltern und ihren Wunsch die zurückgelassenen Sachen jenen Menschen zukommen zu lassen, die sie benötigen. Doch schon bald stellt sich Ernüchterung ein – Spenden scheint zum Geschäft verkommen zu sein. Das Ergebnis ist ein von Zärtlichkeit durchzogenes Nachdenken über die Verbindung der Dinge zum Menschen, gepaart mit Erzählungen skurriler Begebenheiten. Gespielt wird in einem, in seiner Hässlichkeit über ein gewisses Etwas verfügenden, ehemaligen Kleinhandelsunternehmen im Keller.

Dass Hässlichkeit durchaus heimelig sein kann, daran erinnert Volker Schmidt in seinem Monolog, dargeboten von Jaschka Lämmert. Eine Überschneidung im Terminkalender gibt Anlass darüber nachzudenken, was passiert, wenn Gastfreundlichkeit Geschäftemacherei weichen muss. Die Zuseherinnen und Zuseher erwartet eine kritische Analyse zu Airbnb und zugleich ein liebevolles Lob auf Omas Plastiktischdecke und Polyestervorhänge.

Um die gemeinschaftliche Nutzung eines Mixers/Smoothie Makers geht es hingegen in Claudia Tondls Monolog „Nachbar*innen“ (gespielt von Julia Schranz), während Magdalena Schrefels „Familienunternehmen“ das Streben nach Gewinnmaximierung im Kapitalismus auf die Familie umlegt. Schauspieler Martin Hemmer überzeugt als sich in Phrasen ergehender und in Rhetorik geschulter Verkäufertyp. Ähnlich eines Teleshopping-Kanals (als Bühnenbild fungiert eine Box mit Spiegel, die den Schauspieler quasi im Raum schweben lässt) wirkt nach 15 Minuten andauernden Verkaufsmonolog der Vorschlag, sich seine Familie nach belieben zusammenzustöpseln fast schon plausibel.
Eine von mehreren satirischen Zuspitzungen des Abends, die sich spätestens in „Die Beteiligten“ von David Frühauf in Zynismus wandelt. Veronika Glatzner spielt ihr Publikum fesselnd im düsteren Kerzenlicht eine Angestellte auf Betriebsausflug. Während in der Nähe des im Stau stehenden Busses ein Feuer ausgebrochen ist, droht im Inneren das Burn-out. Das definitiv düsterste Stück eines unterhaltsamen Abends.

HABENICHTSE!
oder
Die bessere Welt des Tauschens, Teilens, Nicht-Besitzens?
Ein installatives Stationentheater zur Sharing Economy
Noch am 19./20./21. April 2018, jeweils 19.30 Uhr
Treffpunkt:
bellart gallery
Fasangasse 42
1030 Wien
www.verein-tempora.org

Geschrieben von Sandra Schäfer