Im Jahr 1985 in Wien gegründet führte der Weltverband der Fremdenführervereine 1989 den „Welttag der Fremdenführer“ ein. Jedes Jahr rund um den 21. Februar, den Gründungstag des Vereins, bieten seither auch die Wiener Fremdenführerinnen und Fremdenführer gratis Führungen zu Spezialthemen an. Heuer liegt der Schwerpunkt auf der Zeit von 1938 bis 1955. Im Mittelpunkt steht das im Herbst 2018 eröffnete „Haus der Geschichte“ in der Neuen Burg. Aber auch über das Jahr verteilt können Interessierte zu zahlreichen Themen Führungen besuchen.

Die Kulturfüchsin ist neugierig und hat die Gelegenheit genutzt, der Präsidentin des Vereins der geprüften Wiener Fremdenführer einige Fragen zu stellen.

Frau Bauer, Sie sind Präsidentin des Vereins der geprüften Wiener Fremdenführer. Warum ist das (staatlich) geprüft so wichtig? Und seit wann gibt es den „Verein der geprüften Wiener Fremdenführer“, der auch den Welttag organisiert?

Der Verein der geprüften Wiener Fremdenführer existiert seit 1975. Bevor man als Fremdenführer arbeiten kann, muss man eine mehrsemestrige Ausbildung durchlaufen und eine dreiteilige Prüfung absolvieren. Früher war das in vielen Ländern üblich. In den Staaten, wo man das Gewerbe mittlerweile frei gegeben hat, ist man mit dieser Regelung heute jedoch wenig glücklich. Ohne fundierte Ausbildung fehlt es an Werkzeug. Es geht bei dem Beruf des Fremdenführers nicht nur um Wissensvermittlung, sondern auch um den richtigen Umgang mit Menschen. Zum Unterricht gehören beispielsweise auch Konfliktmanagement und Erste Hilfe. Zudem darf man nicht vergessen: Fremdenführer müssen auch Fragen beantworten. Das heißt, das Wissen, das wir während einer Führung vermitteln, ist gerade einmal ein Bruchteil zum Thema.

Wer kommt zu Führungen und was sind beliebte Themen?

Zum einen natürlich ausländische Gäste, da ist natürlich das Imperiale sehr gefragt, aber auch viele Österreicherinnen und Österreicher. Gerade in Wien gibt es in jeder Gasse etwas zu erzählen. Alleine in Wien arbeiten 1007 Fremdenführerinnen und Fremdenführer, die an die 400 Spezialführungen anbieten. Oftmals buchen Leute für einen Betriebsausflug eine Führung. Viele meiner Kunden sind Privatkunden, die sich zu einem bestimmten Thema etwas wünschen. Da sind zum Teil sehr kreative Wünsche darunter, wie einmal hatte ich zum Beispiel eine Führung zum Thema Steuern. Viele buchen eine Überblicksführung, wollen dann aber noch zu dem einen oder anderen Thema mehr wissen und besuchen noch eine Spezialführung. Vertiefende Führungen, die bei Städtereisenden, die zumeist drei bis vier Tage in der Stadt sind, beliebt sind, sind der Zentralfriedhof, aber auch das kriminelle Wien oder Führungen zur Medizingeschichte. Wenn zum Beispiel ein Ärztekongress stattfindet, bieten sich diese Führungen natürlich an. Wir führen aber auch viele Schulklassen.

In Österreich wurde jüngst eine Studie zum Geschichtswissen der Österreicher durchgeführt mit teilweise erschreckenden Ergebnissen. Können Sie das bestätigen?

Der Wissensstand vieler Österreicher ist zum Teil wirklich bedenklich. Ich hatte zum Beispiel einmal Schüler mit 15 Jahren, die nicht wussten, wer die Habsburger waren. Es ist nicht nur so, dass die Habsburger ein wichtiger Teil der Geschichte des Landes sind, sondern dass mit der ganzen Habsburgerkultur auch ein gutes Geschäft gemacht wird.

Inwieweit sehen Sie die Aufgabe des Fremdenführers auch darin, Aufklärung beziehungsweise Prävention zu üben? Ich denke an den diesjährigen Schwerpunkt beim Welttag der Fremdenführer, der auf der Zeit zwischen 1938 und 1955 liegt. Auf dem Programm stehen auch Führungen ins neu eröffnete Haus der Geschichte.

Prinzipiell ist es nicht Teil des Jobs, meinungsbildend zu sein. Was wir vermitteln, sind Fakten. Aber natürlich gelingt es gerade bei einem Thema wie dem Zweiten Weltkrieg vielen nicht, nur fachlich zu bleiben. Ich halte mit meiner Meinung auch nicht immer hinter dem Berg, was zu Diskussionen führen kann. Das ist mitunter bei älteren Menschen, die die Zeit erlebt haben, schwieriger als mit jüngeren. Man muss sehr viel Feingefühl entwickeln. Was bei mir gar nicht geht, wenn jemand in der Gruppe ist, der die Verbrechen des Nationalsozialismus gut heißt. Das kann dazu führen, dass er die Gruppe verlassen muss. Es bleibt letztendlich jedem Kollegen selbst überlassen, ob er Führungen zu diesem Thema machen möchte.

Wie ist der Austausch der Fremdenführerinnen und Fremdenführer mit den unterschiedlichen Institutionen wie Gedenkstätten, Museen usw.? Gibt es zum Beispiel Vorträge und Führungen zur Weiterbildung?

Wir arbeiten sehr viel mit den unterschiedlichen Museen zusammen. Fremdenführer haben zu den meisten kostenlosen Zutritt. Viele treten an uns heran, wenn sie eine neue Ausstellung eröffnen und fragen, ob wir eine Weiterbildung machen wollen. Oft schauen wir, welche Ausstellungen in nächster Zeit geplant sind und fragen an, ob sie etwas für uns machen würden. Oft bekommen wir Updates zugeschickt, die wir dann an Kollegen weiter leiten. Ein solches Update aus jüngerer Zeit wäre zum Beispiel, dass die Venus von Willendorf 29.000 statt 25.000 Jahre alt ist. Zudem haben wir im Jahr mehrere Fachvorträge.

Gibt es Vorurteile und Irrtümer, die sich besonders hartnäckig halten? Und inwieweit werden diese vom Tourismus auch geschürt? Nach dem Motto: Manche G’schichtln sind einfach zu gut auch wenn sie falsch sind ….

Eine Führung sollte auch unterhaltsam sein. Nur mit Jahreszahlen werden sich die Leute schnell langweilen. Da lockern so lustige kleine G’schichtln die Stimmung natürlich auf, indem sie Lacher bringen. Was man machen kann, man kann durchaus mehrere Versionen einer Geschichte erzählen. Aber am Ende ist es wichtig, alte Klischees aufzulösen. Es gibt allerdings genug Geschichten, die lustig sind und die auch stimmen. Man muss also nicht irgendwelche falschen erzählen. Leider halten sich falsche Angaben oft hartnäckig. Eine solche Geschichte, die zum Beispiel noch heute immer wieder auftaucht – auch in der Literatur – ist die, dass die runde Vertiefung neben dem Eingang zum Stephansdom zum Abmessen der Größe von Brotlaiben verwendet wurde. Waren die Brotlaibe zu klein, die der Bäcker verkaufte, kam es zur Strafe zum so genannten Bäckerschupfen (eine mittelalterliche Bestrafungsform bei der Bäcker, in den Schandkorb kamen und einige Male in Wasser getaucht wurden, Anm. d. Red.). Das ist Blödsinn. Das Bäckerschupfen existierte zwar, aber es kam sicher nicht zur Bestrafung aufgrund einer Vertiefung in der Dommauer. Auf der anderen Seite findet sich eben so eine Vertiefung. Beide entstanden vermutlich durch die gusseisernen Haken, mit denen das Gittertor befestigt werden konnte. Waren die Haken nicht verankert, weil das Tor geschlossen war, bewegten sie sich im Wind und schlugen gegen die Wand.

Was sind die häufigsten Fragen, die sie als Fremdenführerin gestellt bekommen?

Die häufigste Frage, die ich gestellt bekomme, ist, was ist die häufigste, die Sie gestellt bekommen. Von Amerikanern kommt oft die Frage, wie alt ist das? Gerne fragen sie auch nach dem Sozialsystem oder einfach nach dem täglichen Leben. International beliebt sind Fragen zu Kaiserin Elisabeth, etwa waren ihre Haare wirklich so lang oder war sie tatsächlich so dünn?

Abschließend: Haben Sie einen Lieblingsplatz in Wien?

Das ist schwer, weil es viele schöne Plätze in Wien gibt. Besonders mag ich den Minoritenplatz mit der Minoritenkirche, aber auch am alten Universitätsplatz, dem Ignaz-Seipl-Platz, bin ich gerne. Auch in Grinzing gibt es viele tolle Plätze mit dieser ländlichen Atmosphäre.

Die Minoritenkirche auf dem Minoritenplatz

Welttag der Fremdenführer
15. und 17. Februar 2019 in Wien
Führungen (https://www.guides-in-vienna.at/welttag/fuehrungen/)
Vorträge (https://www.guides-in-vienna.at/welttag/vortraege/)

Zum Welttag erscheint außerdem ein Spezialheft mit 130 Seiten, das sowohl in der Touristeninfo am Albertinaplatz als auch in der Stadtinfo im Rathaus aufliegt und das gratis mit nach Hause genommen werden kann.

Links:
www.guides-in-vienna.at
www.wftga.org

© Fotos: Josef Parak

Geschrieben von Sandra Schäfer