Was war die Zielsetzung mit deinem neuen Album „TRANCE OF NOIZ“?

Ich wollte ein Album machen, das auf Perkussion aufgebaut ist, aber auch Tänzer erreicht. Deswegen habe ich mich mit zeitgemäßer Tanzmusik auseinandergesetzt. So bin ich regelmäßig in Clubs gegangen und habe dort stundenlang den aktuellen Sounds zugehört. Dort habe ich dann einen neuen Stil kennen gelernt, der mich echt fasziniert hat, Tech House. Diesen Stil habe ich dann sukzessive in meine neuen Stücke einfließen lassen, und habe dann noch, anders als bei meinen früheren Alben, auch ein Schlagzeug dazu genommen, damit die Tanzbarkeit gewährleistet ist. Das war mein Wunsch beziehungsweise mein Konzept: anspruchsvoll, aber tanzbar.

Was ist das Besondere an Tech House?

Es nicht so grauslich oder so brutal wie Techno, sondern durch die Mischung mit House-Music hat es echte Feinheiten und echte Ekstasen. Diesen Aufbau im Tech House fand ich sehr interessant beziehungsweise dieses Stilelement hat mich gereizt und gefesselt. Die Idee war, dass ich bei meinen neuen Tracks auch feine Jazz-Solisten an Saxophon, Gitarre etc. mit dabei haben will, aber das Ganze in einem zeitgemäßen Sound zu präsentieren.

Zu fast 100 Prozent wird die heutige Club-Musik ja synthetisch am Computer beziehungsweise im Studio erstellt. Das ist bei deinem Album anders, oder? Du setzt noch auf handgemachte Musik beziehungsweise echte Instrumente, richtig?

Genau. Es würde keinen Sinn machen, wenn ich mein halbes Leben lang analog auf meinen Percussion-Instrumenten herumtrommle und dann für mein eigenes Album Samples beziehungsweise Sounds aus dem Computer verwenden würde. Ich versuche eine Kombination aus Loops und sehr viel selbst Gespieltem, und hoffe, dass das aufgeht. Und wie schon erwähnt, habe ich auch tolle Solisten wie zum Beispiel Rens Newland an der Gitarre, Thomas Kugi am Saxophon oder Heinz von Herrmann an der Altflöte dabei, die sich auf dem Album echt weggeigen.

Für dein neues Album hast du auch Einflüsse von Mussorgskys „Bilder einer Ausstellung” oder James Brown genannt. Wie kam es dazu?

Ich durfte vor einigen Jahren Mitglied der Gruppe „Heavy Tuba“ aus Oberösterreich werden, die vor vielen Jahren eine Bearbeitung der „Bilder einer Ausstellung“ von Mussorgsky gemacht haben, die eher in die jazzige Richtung geht. Da ist auch Perkussion dabei, und ich wurde dafür engagiert. Da ist mir dieses eine Thema von Schmulye und dem reichen Juden Samuel Goldenberg, die einen Disput austragen, untergekommen und habe mich quasi darin verliebt. Das ist ein wunderbares Stück Musik, ein fantastisches Thema, das mich nicht mehr losgelassen hat.  

Warum heißt das betreffende Stück bei dir „Matrix Mussorgsky“?

Ganz einfach erklärt, weil ich dieses vom Rhythmus eher freie Klavierthema mit einer starken rhythmischen Matrix verbunden habe beziehungsweise mit anderen Worten, ich habe es tanzbar gemacht. Ich wollte das Thema in ein zeitgemäßes Gewand kleiden, auch mit dem Ziel, dass man zu Mussorgsky endlich einmal tanzt in den Clubs, in der Disko (schmunzelt)! James Brown andrerseits ist für den Funk natürlich der „Godfather“ und ich bin ein Riesenfan von ihm. Er hat den Funk ja quasi erfunden, und weil ich „Trance of noize“ auch funky angelegt habe, und funky sehe, war es sozusagen aufgelegt eine kleine Hommage an James Brown einzubauen.

Du sprichst vom Stück „The Devil and the Nomad“?

Genau. Das Stück basiert auf zwei Themen, zuerst kommt der aggressive Gitarrenpart zu Beginn und dann wird das Stück mehr esoterisch. Der Teufel ist sozusagen die Gitarre und das esoterische ist der Nomade. Diese beiden Teile kommunizieren miteinander. Die funky Gitarre von Rens Newland hat mich sehr an James Brown erinnert, auch der B-Teil hat Erinnerungen an den Klassiker „Sex Machine“ ausgelöst. Eigentlich hat das Stück früher „Brownie“ geheißen, nach dieser Mehlspeise, aber das hat meinem Produzenten nicht gefallen.

Wie waren deine musikalischen Anfänge?

Ich bin als 15-jähriger Jugendlicher mit der Band „Ostinato“ aufgetreten. Das war im Jahr 1975, aber mein älterer Bruder hatte mich zwei Jahre zuvor schon in seine Band aufgenommen, und mit dieser Gruppe haben wir eine Vorentscheidung bei einem ganz wichtigen Bandwettbewerb namens „Musik der Kontraste“ in Wien gewonnen. Im Publikum waren viele Musiker und da ich erst 13 Jahre alt war und auf exotischen Instrumenten gespielt habe, bekam ich einige Aufmerksamkeit. Perkussion war zu dieser Zeit etwas relativ Neues, Unbekanntes in der Wiener Musikszene. Heute gibt es hunderte Workshops zur Perkussion, aber in den 70er Jahren in Wien kannte man das noch nicht so gut.

Wie bist du zur Perkussion gekommen?

Eigentlich wollte ich Schlagzeuger werden, denn ich war Beatles-Fan, besonders von Ringo Starr. Aber das machte schon mein Bruder in der Band und da wir viel Material von Santana beziehungsweise viel Latin-Zeug gespielt haben, bin ich schließlich bei der Perkussion gelandet. Durch das intensive Studium der Songs von Santana habe ich begonnen, den Sound der Congas, Timbales, Bongos etc. so zu schätzen, dass ich nach einigen Wochen nichts mehr anderes machen wollte. Ich war ab dieser Zeit total auf den Sound der Perkussion fixiert.

Wie ging es dann weiter?

Der erste Gig mit Ostinato hat dann im September 1975 im legendären Camera-Club in der Neubaugasse Nr. 2 stattgefunden. Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern (schmunzelt)! Ich weiß noch, dass der Club damals gut besucht war, weil es zu jener Zeit in Wien noch nicht so viele Musiklokale gab. Das Lokal war natürlich auch ein wenig verraucht, wie es damals üblich war, aber der Camera-Club war damals eine sehr hippe Adresse. Es war die Zeit als Rock-Jazz gerade sehr angesagt war, und der DJ hat damals zum Beispiel Sachen von Herbie Hancock gespielt. Weil ich erst 15 Jahre alt war, bin ich nach dem Konzert ein bissl früher nach Hause gegangen.

Ostinato bestehen mit Unterbrechungen bis heute. Aber auch schon damals in den 70er Jahren hat die Band das Musik machen sehr professionell angelegt …

Auf jeden Fall. Wir haben drei Mal pro Woche im 19. Bezirk geprobt und wer zu spät kam, musste pro Minute einen Schilling bezahlen (schmunzelt). Dafür ging aber auch vieles weiter und das hat mir sehr getaugt, ich war von der Musik schon als Jugendlicher absolut fasziniert.

Du bist dann in Folge sehr erfolgreich mit unzähligen Stars des Austropop wie Falco, Ludwig Hirsch, Rainhard Fendrich, Austria 3, Harri Stojka, Karl Ratzer, Marianne Mendt und Ostbahn-Kurti gemeinsam aufgetreten. Kannst du abschließend noch etwas über deine Zusammenarbeit mit Ludwig Hirsch erzählen?

Zu Ludwig Hirsch kam ich über den Gitarristen Johnny Bertl, mit dem mich eine intensive musikalische Zusammenarbeit und Freundschaft verbindet. Mit Johnny war ich in der Gruppe „Dreiklang“ und wir spielten im Februar 1986 im Theater in der Drachengasse eine Show zu Ludwigs 40sten-Geburtstag. So wurde Ludwig auf mich aufmerksam und engagierte mich als Mitglied in seiner Band. Zu Beginn war mir das Wesen von Ludwig eher fremd, aber über die Jahre sind wir richtig zusammengewachsen. Ich habe die Zeit mit Ludwig, es waren insgesamt 25 Jahre, immens geschätzt. Jedes Mal wenn wir wieder auf eine neue Tournee gegangen sind, hat es sich angefühlt, als wenn wir auf Familienurlaub gehen würden!

Was war das Besondere an Ludwig Hirsch?

Ich konnte zu Beginn unsere Bekanntschaft mit Liedermachern nicht viel anfangen und bin eher auf jazzige Bands wie „Earth, Wind and Fire“ oder „Weather Report“ gestanden. Es hat einige Zeit gedauert, bis ich dann bemerkt habe, dass die Texte vom Ludwig unglaublich tiefgründig sind. Texte waren für mich bis dahin eher nebensächlich. Auch die Art von Humor, die Ludwig pflegte, musste ich erst verstehen lernen. Wenn man´s dann kapiert, ist es sensationell, aber es hat einfach ein bissl gedauert. Ludwig hatte auch ein spezielles Publikum, das nicht unbedingt das typische Austropop-Publikum war. Aber es war sein Publikum. Wir haben ja bis kurz vor Ludwigs Tod immer vor vollen Sälen gespielt, auch in Deutschland. Insgesamt war ich bei circa 500 Konzerten von Ludwig mit von der Partie.

Zur Person:
Andi Steirer wurde 1960 in Klosterneuburg geboren. Er ist an der Percussion Autodidakt, erste Auftritte im Alter von 13 Jahren (u.a. im Wiener Konzerthaus); mit 15 Jahren Gründungsmitglied der Rockjazz-Formation „Ostinato“. Ab 18 Jahren Konzerte mit Karl Ratzer und Fritz Pauer (Metropol Wien, Jazzfest Velden, etc.); ab 1983 mit der Unplugged-Vorreiter-Gruppe „Dreiklang“ bei erfolgreichen Konzerten und TV-Auftritten in der Schweiz, in Deutschland und Österreich präsent. 1986 erfolgte ein Engagement in der Band des Liedermachers Ludwig Hirsch, das bis zu seinem Tode im Jahr 2011 währte, also 25 Jahre.
Parallel dazu Konzerte und Studioproduktionen mit Christian Kolonovits, Georg Danzer, Ulli Bäer, Günther Mokesch, Erika Pluhar, Harold Faltermeyer, Wolfgang Ambros, Marianne Mendt, Robert Ponger, Falco, Rainhard Fendrich, EAV, Tony Wegas,Peter Wolf, Ostbahn-Kurti, Timna Brauer, Andy Baum, Peter Legat. 1996 erfolgte das Engagement bei Rainhard Fendrich (bis 2000) und ein Jahr darauf bei „Austria 3“ (Einspielung aller drei preisgekrönten Live-CDs).
Daneben auch rege Tätigkeit in der Funk- und Jazzszene Wiens. 2008 folgte die Veröffentlichung des ersten Solo-Werkes „City in Trance“; 2010: Veröffentlichung der dazugehörigen Live-Doppel CD „Unmastered – City in Trance live“. Die aktuelle CD „Trance Of Noiz“ ist bei Jive Music erschienen.

https://andi-steirer.com/ 

Live:
ALBUM LIVE PRÄSENTATION am 26. Dezember 2021
PORGY & BESS
Riemergasse 11.
https://www.porgy.at/events/10714/

Geschrieben von Robert Fischer