„Schlichte optimistische Laune“ oder „sechs Stunden selbstanklagende Depression“ – wer hätte nicht gerne manchmal die Wahl seine Stimmung auf Befehl ändern zu können. In Philip K. Dicks (Science-Fiction-)Meisterwerk „Do Androids Dream of Electric Sheep” haben die Menschen die Möglichkeit mittels „Stimmungsorgel“ zwischen verschiedenen Einstellungen zu wählen. Bekannt wurde Dicks Roman vor allem durch die Verfilmung „Blade Runner“ durch Ridley Scott – wobei der Film auf Stimmungsorgel so wie manch andere Inhalte verzichtet. Gleich bleibt jedoch die Frage: Was macht den Menschen zum Menschen? Die Antwort lautet hier wie dort – und seit Oktober auch im Schubert Theater – die Fähigkeit zur Empathie. Messbar werden die emotionalen Reaktionen der Getesteten auf bestimmte Fragen mit Hilfe eines speziellen Gerätes, der so genannten Voigt-Kampff-Apparatur. Diese soll es dem „Blade Runner“ (Androidenjäger) möglich machen auch die neuesten Modelle von Androiden von Menschen zu unterscheiden. Doch ist dem wirklich so?

Ein Abend mit Twist

Im Mittelpunkt der für die Bühne vor allem vom Buch inspirierten Fassung steht Jane Sebastian, eine begnadete Biomechanikerin, die für die Rosen-Association (Tyrell-Corporation in Film) arbeitet und Androiden erschafft. Als sie den „Blade Runner“ Phil (man hätte ihm gerne länger zugesehen: Angelo Konzett) kennenlernt sieht sie sich gezwungen selbst einen Test zu absolvieren. Doch es kommt anders als sie, Phil und mit ihnen die Zuschauer*innen denken, denn „Blade Runner. Das Märchen Mensch“ wartet mit einem überraschenden Twist auf.

Eine wesentliche Rolle spielt hierbei eine Art Heilsgestalt, mit der man mittels einer Box in der virtuellen Welt Kontakt aufnehmen kann. Es zählt zu den stimmungsreichsten Szenen eines ohnedies atmosphärisch aufgeladenen Bühnenbildes (ebenfalls Angelo Konzett), wenn Phil und Jane sich, veranschaulicht durch Projektionen via einem transparenten Vorhang auf der Bühne, in den Cyberspace begeben. Ansprechend nehmen sich auch die für die Produktion von Schauspielerin Soffi Povo (Jane Sebastian) geschaffenen Puppen aus. Während der Androide Andy lediglich als Kopf Janes einziger Vertrauter/Gesellschafter ist, kommt Hund Buster nach einer Fehlfunktion (erneut) gemeinsam mit Phil in das Leben von Jane. Die Handlung spielt sich durchwegs in Janes Appartement ab. Letzteres eine heruntergekommene Behausung auf dem Planeten Erde. Hier auf diesem von Atomkriegen und Umweltkatastrophen geschädigten Ödland fristen die letzten Menschen ihr Dasein. Wer es sich leisten kann ist in Begleitung von Androiden, die den Menschen als Diener zur Seite stehen, längst auf den Mars ausgewandert. Als höchstes Statussymbol gilt der Besitz eines der letzten nicht ausgestorbenen Tiere. Allerdings scheinen auch hier die Grenzen zwischen echt und unecht zu verschwimmen. Können auch Androidenhunde leiden oder ist Busters Winseln lediglich ein Teil seiner Programmierung? Ob uns diese Frage tatsächlich einmal anhand von realen Androiden beschäftigen wird, sei dahingestellt – einstweilen beschert sie zumindest im Theater einen, schauspielerisch wie gestalterisch überzeugenden kurzweilig unterhaltenden Abend. Für Text und Regie zeichnete Theaterdirektor Simon Meusburger verantwortlich.

Blade Runner
Das Märchen Mensch
Termine: 7. und 8. November sowie 1. und 2. Dezember 2022
Schubert Theater
Währinger Straße 46
1090 Wien
www.schuberttheater.at

Titelbild: Blade Runner. Das Märchen Mensch. Szene im Schubert Theater © Barbara Palffy

Geschrieben von Sandra Schäfer