Wir leben in einer mit Bildern überfluteten Welt. Inwieweit verändern diese unsere Wahrnehmung von uns selbst? Ina Jaich und Jennifer Mattes zeigen in ihrem Stück „Daimon. Die Namenlose“ eine Frau, die versucht sich von den Bildern dieser Welt zu lösen. Sie erblindet. Und doch leben die Bilder in ihrem Inneren fort. Es sind Erinnerungsbilder von denen sie erzählt. Ihr Dasein begleitet sie mit der Kamera. Die Aufnahmen, die Jaich live während des Spiels erzeugt, werden auf die Bühne projiziert. Doch kann man diesen äußeren wie inneren Bildern trauen? Ständig wechselt die Perspektive. Eine idyllisch beginnende Erinnerung an einen Wald und eines darin vorkommenden Pferdes wird mit Fortdauer der Erzählung zum Schreckensbild. Alles scheint in Fluss, zerfällt. Auch die Frau, von der uns die Schauspielerin auf der Bühne erzählt, ist dem Wandel unterworfen. Schon einmal wurde die Frau „zu einer Kranken, die man mied“. Eine Namenlose, eine Nummer im Krankenhaus, eine Frau, „als deren Darstellerin ich nun existiere“, wie es heißt.

Vom Bademantel schlüpft Jaich als Namenlose auf der Bühne in ein Business-Outfit und agiert unter anderem mit einer Batmanmaske. Eine (Comic-)Figur – zwei Identitäten. Kann man beides sein? Norma Jeane Mortenson oder Marylin Monroe? Ein Originalzitat der Schauspielerin tönt von einem Tonband in den Bühnenraum. Zu Wort kommen außerdem Sylvia Plath, Virginia Woolf, Charlotte Gilman oder Audre Lorde. Die Zitate hat das Regie-Duo selbst ausgewählt. Der Text stammt von Christian Kühne und wurde bereits 2018 geschrieben. Jaich und Kühne kennen sich noch von der Produktion „Rost“, die 2019 im Werk X am Petersplatz über die Bühne ging. Auch mit Jennifer Mattes hat Jaich bereits in der Vergangenheit zusammengearbeitet. Hauptsächlich filmische Projekte, doch keimte der Wunsch einmal etwas für das Theater zu machen. Neben der Regie übernahm Mattes auch das Bühnenbild – ein Birkenwald, in dem frau sich verlieren kann. Als Inspiration diente ihr der Name einer Installation von Martin Kippenberger im Museum of Modern Art New York von 1990: „Ich geh jetzt in den Birkenwald, denn meine Pillen wirken bald“. Theater, Literatur, Film und Klang greifen auf der Bühne wunderbar ineinander. Für Live-Musik und Komposition zeichnete Antonia Dering verantwortlich. Eine Wiederaufnahme ist eventuell für Herbst geplant.

Daimon. Die Namenlose
Eine Produktion von ZIJ in Kooperation mit Werk X-Petersplatz.
Inszenierung: Jennifer Mattes und Ina Jaich
www.zij.lol

Geschrieben von Sandra Schäfer