Wer war Egon Schiele? Bis in die 50er-Jahre hätte die Antwort von den meisten vermutlich gelautet: Egon wer? Kriegswirren, Nachkriegselend und Verunglimpfung durch die Nationalsozialisten hatten den großen expressionistischen Künstler dem Vergessen preisgegeben. Und das obwohl der 1880 geborene Schiele als eines der größten Talente seiner Zeit gegolten hatte. Ein Talent, das er in über 3.000 noch erhaltene Werke einfließen ließ. Mehr als 200 davon befinden sich heute im Wiener Leopold Museum, das damit die weltgrößte Schiele-Sammlung beherbergt. Ihren Anfang nahm die Sammlung in den 50er-Jahren, als Kunstsammler Rudolf Leopold – begeistert von der Ausdruckskraft des Künstlers – begann über die Jahre hinweg dessen Werke zu ersteigern. Darunter Arbeiten wie „Selbstbildnis mit Lampionfrüchten“ und „Die Eremiten“, das Schiele vermutlich gemeinsam mit seinem Förderer Gustav Klimt zeigt, sowie zahlreiche weitere Selbstporträts und Akte. Ebenfalls zu bewundern sind jene Stadtansichten, die Schiele von Krumau, der tschechischen Geburtsstadt seiner Mutter anfertigte. Hier wollte er sich mit seinem damaligen Modell Wally Neuzil – das berühmte Gemälde von Wally befindet sich nach wie vor im Leopold Museum – sogar niederlassen, was allerdings am Misstrauen, das die Bevölkerung der wilden Ehe entgegenbrachte, scheiterte.

Schiele in Neulengbach

Auf Ablehnung stieß das Paar auch im 20 Minuten von Wien entfernten Neulengbach (Mit der S50 bis zur Endstation). Davon ist heute freilich nichts mehr zu spüren. Besucher können mit einem von der Stadtgemeinde herausgegebenen Folder auf den Spuren des Genies wandeln. Vorgesehen ist auch ein Aufenthalt in jener Zelle (Zelle 2), in der Schiele wegen Entführung und dem Verdacht auf Kindesmissbrauch sowie der Präsentation anstößiger Zeichnungen 21 Tage lang einsaß. Ausfindig gemacht werden konnte die Zelle  mit Hilfe von Zeichnungen Schieles von Gang und Kellertür. Im Zellentrakt des Gerichtsgebäudes wartet zudem eine kleine Dauerausstellung auf neugierige Besucherinnen und Besucher.

Geburtsstadt Tulln

Auf die Spuren von Schieles frühen Jahren lädt hingegen die Stadt Tulln (Endstation S40). Seit Juni 2013 können kunstsinnige Reisende in der ehemaligen Dienstwohnung von Schieles Vater Einblicke und Hörproben vom Leben des heranwachsenden Künstlers erlangen. So genannte „Sound-Duschen“ versorgen einen mit Geschichten während man aus den Fenstern dieser Geburtswohnung – wie Schiele einst – auf die Bahnhofsgleise blicken kann.

Ungefähr 15 Gehminuten entfernt, widmet sich das Tullner Schiele-Museum im ehemaligen Stadtgefängnis „Schiele privat“. Neben wechselnden Werken des Künstlers in der so genannten „Schatzkammer“ wartet der Museumsrundgang auch mit Tonbandaufnahmen von Schieles Schwestern auf. Interessierte sollten sich zudem auf den „Schieleweg“ begeben – ein Rundgang durch die Stadt, auf dem man mit Hilfe historischer Bilder, Hörtexten und Videos nicht nur mehr über das Leben des angehenden Künstlers, sondern auch über die Geschichte Tullns – immerhin ein Städtchen in dem schon die Römer lebten – erfahren kann.

Zurück nach Wien

Über einen kleinen Zwischenstopp im Stiftsmuseum von Klosterneuburg – jenes Örtchen vor den Toren Wiens wohin die Familie nach dem Tod des Vaters im Jahre 1904 zog und das  einige Stadtansichten des jungen Künstlers (darunter u.a. „Häuserstudie (Stiftskeller)“ oder „Die Stiftstischlerei“) beherbergt – geht es schließlich zurück nach Wien. Neben dem Leopold Museum warten hier auch das Belvedere sowie die Albertina mit mehreren Schiele-Werken auf. Letztere gar mit rund 200 Zeichnungen, Aquarelle und Gouachen. Im Bestand befindet sich auch ein Werk mit solch klingendem Titel wie „Ich werde für die Kunst und meine Geliebte gerne ausharren“. Lang verharrte Schiele allerdings nicht auf dieser Welt – er verstarb 1918 mit nur 28 Jahren an der Spanischen Grippe – sein Werk lebt weiter.

Leopold Museum
MuseumsQuartier, Museumsplatz 1
1070 Wien
Öffnungszeiten: täglich 10.00 bis 18.00 Uhr, Donnerstag bis 21.00 Uhr
www.leopoldmuseum.org

Egon Schiele Dokumentationszentrum im Leopold Museum:
Das Dokumentationszentrum widmet der wissenschaftlichen Aufarbeitung von Schieles Werk.
Für Besucherinnen und Besucher ist das Egon Schiele-Dokumentationszentrum von Dienstag bis Donnerstag von 13 bis 18 Uhr gegen Voranmeldung zugänglich.
https://www.leopoldmuseum.org/de/Forschung/Egon-Schiele-Dokumentationszentrum

Über die Homepage zugänglich ist eine Datenbank der Autografen (eine Recherche-Plattform die Datensätze aus über 30 Institutionen und Sammlungen umfasst), die unter anderem Gedichte sowie zahlreiche Briefe an seine Schwestern, Künstlerkollegen und Sammler – sowie auch einige Postkarten an Wally zeigt.

Geburtshaus Schieles
Bahnhofstraße 69/Stiege 1/Top 3, 3430 Tulln
Öffnungszeiten: Täglich 9 – 20 Uhr (Apr – Okt), bzw. 9 – 17 Uhr (Nov – März)
Eintritt: Mit dem Einwurf einer 2-Euro-Münze erhält man Eintritt in die Wohnung http://www.schiele-geburtshaus.at/

Gefängniszelle und Dauerausstellung in Neulengbach
Öffnungszeiten: täglich von 9-17 Uhr
Eintritt frei!

Egon Schiele Museum Tulln
Donaulände 28
A-3430 Tulln
Öffnungszeiten: 30. März bis 3. November: Dienstag bis Sonntag, Feiertage: 10.00 bis 17.00 Uhr
Eintritt: 5,50 Euro / ermäßigt 4,50
www.schielemuseum.at

Albertina
Albertinaplatz 1, 1010 Wien
Öffnungszeiten: Täglich 10.00 bis 18.00 Uhr, Mittwoch & Freitag: 10.00 bis 21.00 Uhr
www.albertina.at

Oberes Belvedere
Prinz Eugen-Straße 27
1030 Wien
www.belvedere.at

Titelbild: Der Bahnhof von Tulln im Jahre 1963 © Alessandra Comini

Geschrieben von Sandra Schäfer