Der Name hatte jahrzehntelang für die meisten Freunde des Weins einen besonders guten Klang: Gumpoldskirchen. Nach Jahren teilweiser Stagnation ist seit einiger Zeit erfreulicherweise innovative Aufbruchstimmung bei den Winzern angesagt.

Wer rastet, der rostet bekanntlich. Laissez faire, das sich offensichtliche Zeitlassen und sich Ausruhen auf den Lorbeeren waren die falschen Antworten auf den sich im Laufe der Zeit ändernden Weingeschmack der vinophilen Kundschaft. Dazu kam, dass zahlreiche alteingesessene Gumpoldskirchner Winzer für immer die Pforten ihrer Betriebe schlossen und damit eine Ausdünnung des Angebots stattfand – und last but not least wohl nicht hauptsächlich der Verkauf des Rebensaftes, sondern die Zentrale des Technologiekonzerns Novomatic mit seinen 900 Mitarbeitern am Standort sowie weitere Gewerbebetriebe die Gemeindekassen verlässlich füllten und weiterhin füllen. Gumpoldskirchen drohte seinen Ruf als Mekka des „Königs der Weine und Ort der Weine der Könige“ zu verlieren.

Dynamisch in neue Weinzeiten

Nun erfinden sich die Winzer seit einigen Jahren erfreulicherweise neu. Statt wie in vergangenen Zeiten auf von Kritikern als schwer alkoholbelastete „Trinkmarmeladen“ bezeichnete Weine zu setzen, investiert die junge und mittlere Generation der Winzer ihr Know-how in die Herstellung sortentypischer wie ebenso charaktervolle, vordringlich trockene und teilweise auch halbtrockene „Weiße“ und körperreiche kräftige „Rote“. Klasse statt Masse. Nicht der Doppler, sondern die Bouteille gibt den Ton an. Die autochthonen Thermenregion-Rebsorten wie der Rotgipfler und der Zierfandler erfreuen sich neuer Beliebtheit bei den ausgewiesenen Önologen wie ebenso der wieder wachsenden Zahl der Genusstrinker bei den Heurigen.

Zur Ehrenrettung der älteren Generation der Weinhauer sei um der Fairness willen hier festgehalten, dass auch in der Vergangenheit einige der Gumpoldskirchner Weinbauern gegen den Strom schwammen und bereits vor vielen Jahren Rebensäfte kelterten, die hinsichtlich der Qualität den viel zitierten Weißweinen in der Wachau um nichts nachstanden. Einer dieser Pioniere war Manfred Biegler, der Jahr für Jahr für seine außergewöhnlichen Produkte, mit Recht, Lob und Lorbeeren einheimste. Heute führt das Weingut sein Sohn Othmar, der die Fußstapfen seines Vaters mehr als ausfüllt und zu den renommiertesten Winzern des Landes zählt.

Quereinsteiger auf Erfolgsweg

Bemerkenswert ist zudem die Qualität des Gebotenen durch einige mehr oder weniger als „Quereinsteiger“ bezeichnete Winzer. Franz Händler ist einer davon. Vor einigen Jahren haben seine Schwiegermutter, Marlene Proisl, und seine Frau Dagmar nach dem Tod des Ehemanns beziehungsweise des Vaters das kleine Weingut Proisl geerbt. Statt aufzugeben, sprang die Familie ins kalte Wasser. Franz eignete sich nicht zuletzt durch intensives Studium und durch „Learning by Doing“ in relativer kurzer Zeit fundiertes Wissen über alles was mit dem gewiss nicht leicht zu bewältigenden Weinbau zusammenhängt an. Seine Schwiegermutter und seine Frau übernahmen die Verantwortung für die Kulinarik. Kurzum: Heute zählt das kleine aber feine, ehemalige „Wein-Start-up-Unternehmen“ zu den Highlights des Gumpoldskirchner Heurigenangebots.

Die Weißweine von Franz Händler, vor allem der 17er Jahrgang, zeichnen sich durch Fülle, ausgeprägte sortentypische Geschmacksnoten ebenso aus, wie durch den gerade richtigen Alkoholgehalt und die fein eingebundene Säure. Der Riesling, der Chardonnay und vor allem der Rotgipfler sowie der Zierfandler schmeicheln die Gaumen seiner Genießer – und sind um einen wohlfeilen Preis natürlich auch „über die Gasse“ erhältlich. Daneben finden sich ein Gemeinschaftsprodukt von Gumpoldskirchner Winzern, ein ebenso gelungener Rose frizzante, wie ein Zweigelt im Angebot.

Haubenküche a la Marlene

Die Seniorchefin des Hauses, Marlene Proisl, schwingt das Zepter in der Küche und zeichnet damit für die Kulinarik verantwortlich. Sie kreiert ein Speisenangebot, das sich von jenen in anderen Heurigen bemerkenswert abhebt und sich auf Hauben-Niveau bewegt. Nicht der obligate Schweinsbraten, das Wiener Schnitzel oder das Backhendl dominieren die Menükarte, sondern eine Palette an besonderen Schmankerln, die allesamt die Geschmacksnerven jubilieren lassen. Ideenreichtum, verbunden mit Betonung der speziellen Note der einzelnen Produkte, nicht selten gepaart mit diversen Vinaigrettes, bilden die wohlschmeckende Symbiose des Angebots. Ob das „Vitello steirisch“ – köstliche schmeckende rosafarbige Schnitten vom gebratenen Kalbsbratenfilet auf einem pikant abgeschmeckten Räucherforellenmousse – oder der Schinken mit Schwammerlsülzchen, das Roastbeef mit Grana, Remoulade und Rucola, das Hühnerlebertöpfchen mit Weinbirne, das gesottene Rindfleisch mit Gemüsesalat etc. etc., alles mundete uns ausgezeichnet.

Einige warme, ebenso wohlschmeckende Speisen, wie Geselchtes mit Sauerkraut und Erdäpfelstrudel, Linsen mit Knödel, Faschiertes im Blätterteig mit Rahmgurke sowie Spinatknödel mit Parmesan und Blattsalat ergänzten das Angebot bei unserem Besuch. Selbstverständlich kommen auch die Naschkatzen beim Proisl-Händler-Heurigen voll auf ihre Rechnung: Schokomousse mit Obers, Buttermilchmousse auf Beerensauce, Apfel-Tiramisu, oder Buchteln mit Vanillesauce sowie Plunder sind die süßen Verführer, denen kaum jemand widerstehen kann. Und gewissermaßen zum Drüberstreuen gibt es noch das von Dagmar Händler gebackene, exzellente Nussbrot sowie einiges, nicht alltägliches Weißgebäck wie unter anderen Roggi und Foccuchino.

Wohlfühlfaktor im Renaissance-Marktrichterhaus

Optisch ins Auge stechend sind nicht nur die fein angerichteten Speisen, sondern auch das Ambiente des fast 500 Jahre alten Renaissance-Marktrichterhaus, in dem der Heurige sein Domizil aufgeschlagen hat. Im renovierten, mit viel Liebe zum Detail ausgestatteten Gewölbe-Gastraum meint man, die Zeit stehe still. Dennoch verging sie auch bei unserer mehrstündigen Anwesenheit wie im Flug. So ist es nun einmal, wenn der durch das Umfeld ausgelöste Wohlfühlfaktor das Sein bestimmt. Einziger Nachteil: Der Proisl-Händler-Heurige öffnet nur wenige Mal im Jahr seine Pforten für jeweils kaum mehr als eine Woche. Aber wer weiß – vielleicht ist auch das ein Geheimnis des Erfolgs. Wer selbst dahinter kommen will, ist gut beraten, sich an den Aussteckterminen – schnell auf die Socken zu machen.

Weinbau PROISL
Wiener Strasse 6
A-2352 Gumpoldskirchen
Tel.: +43 (0)2252 / 63991
Mobil: +43 (0)676 / 525 3665
+43 (0)676 / 636 7541
E-Mail: weinbau@proisl.net
Ansprechpartner über Öffnungszeiten: Franz u. Dagmar Händler
www.proisl.net

Geschrieben von Stefan Weinbeisser