Als Pianistin und Komponistin hat Verena Zeiner in den letzten Monaten zwei neue interessante Alben veröffentlicht. Darüber hinaus ist sie Mitbegründerin der Plattform „Fraufeld“, die MusikerInnen im Bereich der improvisierten Musik unterstützt. Robert Fischer bat die Musikerin zum Gespräch.

Verena, ich möchte mit Dir zunächst über das Album The Sweetness Of Finitude“ sprechen, das du im Duo mit dem israelischen Schlagzeuger Ziv Ravitz eingespielt hast. Wie habt ihr euch kennengelernt?

Das war bei einem Live-Auftritt in einem Club in New York. Ich war damals nach meinem Studium für Jazz-Klavier, Komposition und Bewegungspädagogik/Rhythmik in New York. Die Zeit dort war sehr lehrreich für mich, vor allem weil es dort dermaßen viele großartige internationale Musiker gibt, mit denen man zusammenarbeiten kann. Das Treffen mit Ziv Ravitz hat mir einen wichtigen Impuls gegeben, nach meiner Rückkehr nach Österreich intensiv an meiner eigenen künstlerischen Ausrichtung weiterzuarbeiten. Wir sind in Kontakt geblieben und Ziv hat mir immer wieder sehr gute und fundierte Feedbacks zu meiner Musik gegeben. Zur ersten Zusammenarbeit kam es dann vor circa zwei Jahren als ich mein Solo-Album „No Love Without Justice“ veröffentlicht habe. Ziv hat es gemischt und gemastert. Unser gemeinsames CD-Projekt war dann eigentlich eine spontane Idee. Durch die Pandemie hatten wir beide Zeit und ich habe Ziv vorgeschlagen, ein Duo-Album aufzunehmen. Er sagte sofort zu und meinte nur: wann und wo treffen wir uns im Studio?

Von seiner Ausbildung kommt Ziv Ravitz eher vom Jazz, richtig?

Er kommt total aus dem Jazz. Aber die Musik, die wir gemeinsam machen, ist ja nicht unbedingt zu 100 Prozent Jazz, sondern eine Vermischung aus verschiedenen Stilen. Was ich an Ziv Ravitz sehr schätze ist, dass er sehr variabel und für vieles offen ist. Aber es stimmt schon: Ziv ist stark im Jazz verankert, er hat im berühmten Berklee-College in den USA studiert.

Habt ihr die Kompositionen für „The Sweetness Of Finitude“ eigentlich im Vorfeld gemeinsam erarbeitet?

Die Kompositionen sind alle von mir, aber Ziv hat meine Demo-Versionen natürlich schon vorab einmal gehört. Er lernt viel über das Hören. Sein Anspruch ist, die Musik im Kopf zu haben beziehungsweise auswendig zu können, bevor es ans Spielen geht. Am Vortag des Studiotermins – an jenem Tag als Ziv in Österreich angekommen ist – haben wir die Kompositionen dann durchbesprochen, nicht durchgespielt, sondern nur durchbesprochen. Als wir ins Studio gegangen sind, haben wir ziemlich bald aufgenommen, es gab keine Proben. Wir waren in zwei Tagen mit den Aufnahmen fertig!

Was inspiriert Dich zu deinen Stücken?

Das ist ganz unterschiedlich. Vieles entsteht, wenn ich am Klavier sitze und so vor mich hin improvisiere. Da kommen dann Ideen, die ich mir notiere, beziehungsweise festhalte und weiter ausbaue zu Kompositionen. Einerseits entstehen Stücke aus dem Instrument, dem Klavier heraus, andrerseits ist das Komponieren ein Kanal, um Themen zu bearbeiten beziehungsweise zu verarbeiten, die mir so begegnen. Manches entsteht aus einem emotionalen Grund heraus, Themen, die mich gerade beschäftigen, und zu Musik inspirieren. Am Ende ist es wahrscheinlich die Kombination aus einerseits diesen Themen, die eigentlich außermusikalisch sind und zum anderen, beim Klavier zu sein und sich mit dem Instrument zu beschäftigen. Zusätzlich ist aber auch die Improvisation immer ein wichtiger Teil meiner Kompositionen. Sprich es gibt Teile im Stück, die sind fix komponiert, aber es gibt immer die Möglichkeit, sich Freiräume zu nehmen. Das ist essentiell, weil wenn ich mit jemanden wie Ziv Ravitz in Dialog trete, rechne ich damit, dass er Impulse in die Musik mithineinbringt, an die ich gar nicht denke. Sich auf das einlassen, was entsteht, wenn wir zusammenspielen, ist mir sehr wichtig.

Wie würdest Du euren Stil auf dem Album definieren?

Ich denke, man hört die verschiedenen Dinge, mit denen ich mich über die Jahre beschäftigt habe. Ich habe auch auf meinen Solo-Alben versucht, einen Klang zu finden, der meiner Persönlichkeit entspricht. Wo man merken kann: Ah, so klingt Verena Zeiner (schmunzelt). Ich wollte das aber nie benennen, sondern habe mir erlaubt, außerhalb von Schubladen zu denken oder mich nicht um die herkömmlichen Kategorien zu kümmern. Ich nehme und verarbeite, was gerade in mir ist, und das ist Pop genauso wie Klassik. Ein wichtiger Punkt ist sicher auch, dass ich gerne mit Bewegung und Tanz arbeite. Daneben beschäftige ich mich mit neuer und frei improvisierter Musik. So entsteht diese Mischung. Natürlich übe ich auch immer wieder Klassik, und verwende das in meiner Musik. Manche haben auch schon gesagt, dass sie meine Stücke an Filmmusik denken lassen.

Du hast im letzten Herbst noch ein weiteres Album veröffentlicht. „Magic Wall“ ist gemeinsam mit I-Wolf aka Wolfgang Schlögl, bekannt von der Band Sofa Surfers, entstanden. Diese Kooperation geht mehr in die elektronische Richtung. Wie kam es dazu?

Bei den Aufnahmen zu meinem Solo-Album ist sehr viel Musik entstanden, und wir konnten nicht alles veröffentlichen. Mir war aber immer klar, dass ich damit noch etwas machen möchte. Durch die Pandemie hatte ich dann Zeit und habe Wolfgang Schlögl gefragt, ob er an einer Kooperation interessiert wäre. Er hat sogleich zugesagt, aber mit der Bedingung, dass wir das gemeinsam erarbeiten. Wolfgang wollte quasi nicht nur meine Stücke bekommen, und etwas dazu produzieren, sondern mit mir gemeinsam im Studio etwas Neues entstehen lassen. Mein Material, das waren auch alles improvisierte Sachen, und die haben wir als Grundlage verwendet, um elektronisch damit weiterzuarbeiten. Ich habe zum Beispiel einige Sachen neu aufgenommen und ein paar Synthesizer verwendet. So ist innerhalb von ein paar Wochen das Album entstanden. Unsere CD-Präsentation wurde letzten November wegen Corona leider abgesagt, aber es gibt jetzt einen neuen Termin am 30. April im Radiokulturhaus. Bei diesem Konzert werden wir im Trio auftreten.

Du bist auch Mitbegründerin der Plattform „Fraufeld“. Könntest Du etwas über die aktuellen Projekte beziehungsweise die Ziele von „Fraufeld“ erzählen?

Fraufeld ist eine Plattform und auch ein Label. Ich habe beides vor fünf Jahren gemeinsam mit Sara Zlanabitnig gegründet – einfach weil wir den Eindruck hatten, dass es im Bereich der improvisierten Musik viele Musikerinnen gibt, die auf den Bühnen beziehungsweise auf den Festivals nicht genügend repräsentiert werden. Wir wollten mit Fraufeld Aufmerksamkeit auf dieses Thema lenken beziehungsweise sichtbar machen, welche Vielzahl an MusikerInnen es in der Szene gibt. Wir haben uns dann sofort entschlossen, es in Form von Tonträgern zu machen, also Compilations zu produzieren, wo wir viele unterschiedliche Musikerinnen und ihre Besetzungen auf einem Album haben. Das Ziel war es, diese CDs gut unter Medien, Institutionen etc. zu verbreiten, um auf das breite Spektrum in der improvisierten Musik aufmerksam zu machen.

Wie hat sich „Fraufeld“ im Laufe der Jahre (weiter-)entwickelt?

Wie haben bis jetzt drei Compilations mit verschiedenen Künstlerinnen veröffentlicht und ich habe den Eindruck, dass uns da etwas gelungen ist. In Wien beziehungsweise in Österreich haben wir einiges in Bewegung gebracht. Durch das gemeinsame Arbeiten der Musikerinnen bilden sich dann natürlich auch Netzwerke. Da entsteht gegenseitige Unterstützung, und die Möglichkeit sich über alle möglichen Aspekte auszutauschen, die so ein MusikerInnenleben einfach hat. Wie kommt man zu Gigs? Wie bekommt man eine Förderung etc.? Es gab auch eine Veranstaltungsreihe und regelmäßige Stammtische. Letztendlich haben wir noch ein eigenes Label gegründet, wo wir unsere „Fraufeld“-Tonträger veröffentlicht haben. Jetzt nach fünf Jahren intensiver Arbeit für Fraufeld habe ich allerdings beschlossen, etwas kürzer zu treten, aber meine KollegInnen Milly Groz, Anna Anderluh und Joanna Quehenberger haben das Team erweitert und werden das Projekt weitertragen.

Wie würdest Du die Situation für Musikerinnen in der Pandemie beurteilen? Durch den Wegfall vieler Auftritte war das in den meisten Fällen vermutlich eine sehr schwierige Zeit.

Ich habe da sehr unterschiedliche Erfahrungen. Menschen wie ich – ich unterrichte auch jede Woche ein paar Stunden auf der Musikuni – hatten den Vorteil, dass, auch wenn wir den Unterricht auf digital umstellen mussten, unsere Arbeit weiterhin möglich war beziehungsweise wir ein fixes Einkommen hatten. Das hat manche Leute, also auch mich, frei gespielt und Möglichkeiten zur kreativen Arbeit gegeben. Aber das ist eine Luxusposition. Natürlich gibt es auch viele Musikerinnen und Musiker, die nur vom Spielen leben. Für die war die Situation viel schwieriger. Mit der Zeit gab es zwar ein paar Unterstützungen vom Staat, aber um die muss man sich natürlich kümmern. Was für alle wahnsinnig anstrengend ist, ist diese Unplanbarkeit in der letzten Zeit. Wie viele Konzerte werden ausgemacht und dann wieder abgesagt – zum zweiten oder dritten Mal und dann werden sie weiter verschoben, auf in einem Jahr oder auf in zwei Jahren. Das ist eine Situation, die geht sehr an die Substanz, weil das Üben beziehungsweise sich Vorbereiten ohne Termin, das ist emotional und mental sehr anstrengend. Es gibt viele, die auch noch eine Familie ernähren müssen oder sich im Lockdown daheim mit Ihren Kindern beschäftigen, während sie versuchen kreativ zu arbeiten. Das ist keine einfache Situation. Bis sich die Situation für KünstlerInnen wieder normalisiert, wird es sicher ein paar Jahre dauern.

Wie lauten Deine Zukunftspläne?

Ganz aktuell beginnt ein neues Projekt, wo ich einmal nur Komponistin bin. Ich arbeite gerade an meinem ersten Stück für ein Kammermusikensemble, ein Streicherquartett plus Klavier. Da ist etwas ganz Neues. Ich habe mich sehr über die Anfrage gefreut. Die Uraufführung findet im April in Vorarlberg statt. Außerdem gibt es ein paar kleinere Projekte in Richtung Filmmusik. Ich bin da in einem Team mit ein paar weiteren Filmkomponisten tätig. Da darf ich aber noch nichts Genaueres darüber verraten, aber das wird sicher spannend!

Danke für das Gespräch!

Zur Person: 
Verena Zeiner ist Pianistin, Komponistin und Rhythmikerin. Ihre Studien in Jazzklavier, Real Time Composition und Musik- und Bewegungspädagogik/Rhythmik absolvierte sie in Wien, Brüssel, New York und Tel Aviv. Verena Zeiner leitet eigene Ensembles für die sie auch komponiert, spielt in unterschiedlichen Formationen aus den Bereichen Jazz und improvisierter Musik, arbeitet mit Tänzer*innen, und ist Gründerin der Plattform Fraufeld, die sich dem Sichtbarmachen von Frauen in der improvisierten Musik widmet. Daneben unterrichtet sie Instrumentalimprovisation an der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien und gibt Workshops in den Bereichen Rhythmik (Musik- und Bewegungspädagogik) und Improvisation für diverse Zielgruppen im In- und Ausland. 2020 wurde Verena Zeiner mit dem Anerkennungspreis des Landes Niederösterreich in der Sparte "Musik" ausgezeichnet. https://www.verenazeiner.at/de/startseite.html

Aktuelle Veröffentlichungen:
Zeiner I-Wolf „Magic Wall“ (Seayou records, 2021)
Verena Zeiner & Ziv Ravitz “The Sweetness of Finitude“ (Session work records, 2022)

Termine
„Magic Wall“
30 04 2022, 20:00 Uhr
Großer Sendesaal im ORF-RadioKulturhaus
Eintritt: EUR 20,–

Titelbild: Verena Zeiner und Ziv Ravitz © by Ian Ehm Perrine Rosseau

Geschrieben von Robert Fischer