Ein Gespenst geht um in dieser Welt – das Gespenst der KI. Nun ist es endgültig angekommen, um zu bleiben und auch das weiße Leintuch hat es mittlerweile erfolgreich abgelegt und sich die Maske des Menschen aufgesetzt. Immer öfters findet die Künstliche Intelligenz mittlerweile auch Eingang in den Prozess der Kunstproduktion. So auch im Theater, wo in der jüngsten Produktion von Kai Krösche (Konzept und Regie) KIs wie ChatGPT1, Midjourney, Runway & Kaiber AI sowie DALL·E2 als Co-Autor, Kostümdesigner, Generator von digitalen Bildern und Videosequenzen ihre Verwendung fanden.

Ursprünglich hätte das mit „Linie Q“ betitelte Stück „bloß“ ein Abend rund um Verschwörungstheorien werden sollen – letztendlich erwartet die Besucher*innen des ehemaligen Magazins der alten Wirtschaftsuniversität (das als dreistöckiger Theater-Parcours dient) ein stellenweise poetischer Ausflug in die Tücken unseres mit viel Furcht belasteten sich veränderten Alltags. Der Mensch erscheint hier noch als Mensch, ungetunt und mit seinem Älterwerden überfordert – die Maschine bleibt als Maschine erkenntlich. So soll diese zunächst als eine Art Siri, einem Passagier (Simon Dietersdorfer), der in einem U-Bahn-Zug ohne Halt gefangen ist, Hilfestellung und Antworten leisten. In regelmäßigen Abständen wird man als Theatergast via im Raum verteilten Bildschirmen zum Zeugen der Fahrt ins Unbekannte, während man selbst dazu eingeladen ist mit seinem Handy mittels QR-Codes nach Hinweisen eines möglichen Ausgangs zu suchen. Doch die Nachrichten und Bilder, die man zu sehen bekommt bieten keinerlei Lösung. „Ein No Escape-Room“ nennt sich das Stück im Untertitel – die Passagiere in diesem Zug, der unaufhaltsam vorwärtsrast, sind wir alle – daraus wird von Beginn an, durch den Host des Abends (Victoria Halper), kein Geheimnis gemacht.

Dystopischer Abstieg

Doch wohin soll man flüchten, wenn es kein Entrinnen gibt? Als Camper*in in einer düster gestalteten Szenerie darf man im ersten Untergeschoß in einem Zelt weiter nach einem Ausweg suchen, um in Folge im zweiten Untergeschoß in die Fänge einer vor einer Projektion mit einer wahren Bilderflut performenden maskierten Person (ebenfalls Veronika Halper) zu geraten. Assoziationen mit Filmen und Serien wie „V wie Vendetta“ und „Mr. Robot“ drängen sich auf.

Immer eruptiver bis zum Schmerzpunkt gestaltet sich der Sound gekoppelt mit der Bilder- und Informationsflut. Und da sind wir dann doch noch bei den Verschwörungstheorien. Ohne Zweifel: Viel läuft falsch in dieser Welt. Doch wem glaube ich was? „Das Allermindeste, was wir also tun sollten, ist die Steuerung dieses rasanten Zuges nicht einem algorithmengesteuerten oder rein profitorientierten Autopiloten zu überlassen“, meint Kai Krösche dazu im Programmheft. Ein Grund warum KI und das Thema KI in der Kunstproduktion Sinn macht. „Have you escaped the line oder bist du noch an Bord” lautet am Ende die Fragestellung. Man kann diesen Abend als Anlass nehmen über den Zustand der Welt und seinen Platz darin zu sinnieren, muss man aber nicht. „Linie Q“ einfach auf sich wirken lassen tut es auch. Die Besucher*innen erwartet trotz einiger Längen ein insgesamt kurzweiliger und erlebenswerter Abend.

LINIE Q. EIN NO-ESCAPE-ROOM
Eine Inszenierung von Kai Krösche mit Texten von James Stanson und Emre Akal
Eine Koproduktion mit WUK performing arts

Weitere Termine:
26. Juni (20 Uhr), 29.6.und 30. Juni (18:30 und 21 Uhr) sowie am 1. Juli (18:30 und 21 Uhr)

WEST / Alte Wirtschaftsuniversität/Unizentrum Althanstraße
Augasse 2-6
1090 Wien
www.wuk.at/programm/linie-q/

Titelbild: Szenenfoto © Pollonia Theresa Bitzan, Juni2023

Geschrieben von Sandra Schäfer