Ein Mann kehrt heim: 20 Jahre sind vergangen. Die Erfahrung von Krieg und Blutvergießen haben ihre Spuren hinterlassen. Der Held von Troja und große Abenteurer Odysseus muss nun in der Heimat erneut seinen Platz finden. Doch auch den Zuhausegebliebenen – von der Ehefrau Penelope über Schweinehirte und Dienstbotin bis hin zum Hund – ist der Rückkehrer einer Fremder geworden. Es ist großteiles ihre Perspektive aus der Regisseur Joachim Schloemer (von ihm stammt auch der Text) die berühmte Geschichte der Heimkehr des Odysseus erzählt. Mythos, Erinnerungen und Vorstellungen treffen dabei auf einen Menschen, in dessen Wesen sich das Erlebte der vergangenen Jahre eingeschrieben hat. In jenem „Monster“ – das um sich seinen Platz in der Heimat zu behaupten, die angesammelten Verehrer der Mutter sowie abtrünnige Dienstboten grausam tötet – gelingt es dem Sohn Telemachos nicht seinen Vater zu erkennen. Dass Helden zurückkehren, war nie vorgesehen. Diese hätten auf dem Schlachtfeld zu bleiben, resigniert er.

Es ist diese Unvereinbarkeit von Krieg und Alltag, die Schloemer gekonnt in die Gegenwart zieht. Wenn das Stück im letzten Drittel von der Unfähigkeit handelt, sich nach belastenden Ereignissen zurechtzufinden, wenn Blumenfrauen in Einkaufszentren zu einer vermeintlichen Bedrohung werden, fühlt man sich mitunter an Kathryn Bigelow Oscar gekrönten Streifen „The Hurt Locker“ erinnert. Doch auch als Theaterzuschauer*in wird man um nichts minder hineingezogen in die Achterbahnfahrt der Gefühle der Heimkehrer. Diese leiden an posttraumatischen Belastungsstresses (PTBS). Zu den Symptomen zählen Flashbacks – Ereignisse, die immer wieder erlebt werden und die zu Problemen sich im Alltag zurecht zu finden führen. Der Stress, von dem die Figuren berichten, wird durch ihr beständiges Rennen verdeutlicht. Generell kommen die einzelnen Mitglieder des TAG-Ensembles (Jens Claßen, Michaela Kaspar, Raphael Nicholas, Lisa Schrammel und Georg Schubert) den ganzen Abend nicht zur Ruhe, sind jeder für sich permanent in Bewegung, einmal langsam, einmal schnell. Gespielt wird im leeren Raum. Nur zu Beginn ticken Metronome – für uns heute ebenso wie für die Menschen der Antike. Aus dem weit entfernten Mythos ist im Laufe des Abends ein Mensch geworden, der sich gar nicht so sehr von uns heute zu unterscheiden scheint. Zu einer der Leistungen des Abends zählt es die für viele vermutlich als verstaubt wahrgenommene Form des antiken Chores gekonnt in modernisierter Form in die Gegenwart zu holen. Zu Ende formieren sich die Schauspielerinnen und Schauspieler zum altmeisterlichen Gemälde, in sanftes Licht getaucht. Doch auch dieses Bild wird „wie eine Tasse“ Risse bekommen. Sehenswert!

Odyssee – eine Heimkehr
Von Joachim Schloemer frei nach Homer
Mit Jens Claßen, Michaela Kaspar, Raphael Nicholas, Lisa Schrammel, Georg Schubert

Weitere Termine:
19. und 20. Jänner sowie 12. und 13. Februar 2024, 20.00 Uhr

TAG – Theater an der Gumpendorfer Straße
Gumpendorfer Straße 67
1060 Wien
www.dastag.at

Titelbild: © Anna Stöcher

Geschrieben von Sandra Schäfer