Seit Jahrzehnten treiben sie in der Pop-Kultur ihr Unwesen, sei es in aufwendigen Hollywood Produktionen, billigen Horrorfilmen oder auch auf dem Buchmarkt – Mumien sind einfach nicht tot zu kriegen. Als weltweite Ausstellungsobjekte in Ägyptischen Sammlungen sind sie physisches Anschauungsmaterial zum Totenkult im alten Ägypten. Seit Jahrtausenden versteht es dieser immer wieder aufs Neue eine faszinierende Anziehungskraft auf die Menschheit auszuüben. Groß angelegte Blockbuster-Ausstellungen, die durch Europa touren, haben in der Vergangenheit regelmäßig massenhaft Publikum angezogen. In Paris sorgte zuletzt etwa die Wanderausstellung „Ramses -Das Gold der Pharaonen“ für einen rekordmäßigen Ticketverkauf.
Dass die Welt der Pharaonen und der aktuelle Trend des immersiven Kunstspektakels sich in Symbiose vereinigen und das Potenzial haben zum Publikumshit zu avancieren dürfte also die wenigsten wirklich überrascht haben. Mit dem Erlebnis ein Kunstwerk oder Kulturgut in seinem Original zu erleben können derartige Shows freilich nicht mithalten. Zu gering ist außerdem zumeist die Ausbeute an Wissen, die Besucher*innen im Normalfall mit nachhause nehmen. Bemüht den Leuten einen guten Einstieg in das Thema zu bieten hat man sich bei der Tutanchamun-Show trotz allem. Einleitende Infotafeln stimmen in die Welt des Nilstromlandes vor rund 3.300 Jahren ein.

Die Zeit überdauert

Gestorben ist Tutanchamun vermutlich im Jahr 1324 v. Chr. im Alter von 19 Jahren. Der jugendliche Pharao soll mit „ziemlicher Sicherheit“ der Sohn von Echnaton und Echnatons Gemahlin Nofretete gewesen sein. In Frage als Mutter kommen aber auch Echnatons zweite Gemahlin Kiya oder eine Unbekannte.
Besser bekannt als die verwandtschaftlichen Verhältnisse ist hingegen die Geschichte rund um die Entdeckung der Grabanlage. Über 100 Jahre ist es mittlerweile her dass es dem Archäologen Howard Carter nach anfänglichen Misserfolgen am 4. November 1922 gelang, das Grab des Tutanchamun aufzuspüren. Die Grabung geriet zu einer der bedeutendsten archäologischen Entdeckungen des 20. Jahrhunderts. Kein Wunder, ist die letzte Ruhestätte Tutanchamuns das einzige unversehrte Königsgrab, das jemals in Luxor gefunden wurde. Mit über 5.500 Kostbarkeiten – darunter die Totenmaske Tutanchamun aus massiven Gold – präsentierte sich dieses in voller Pracht. In der Ausstellung ist eine Replik der Maske sowie des aus mehreren Teilen bestehenden Sarkophags zu sehen.

Virtuelle Reise aus dem Grab

Die originale Maske ist im Ägyptischen Museum in Kairo zu bewundern, der Sarkophag mit dem darin mumifizierten Leichnam des Pharaos befindet sich nach wie vor, abgedeckt unter Plexiglas, in der Grabkammer. Mit der Tutanchamun-Show kann man dieser auch von Wien aus zumindest virtuell einen Besuch abstatten – und auch gemeinsam mit der Seele des Pharao (das Ba) verlassen. Dank VR-Brille auf dem Kopf beschreitet man hier den pharaonischen Übergang ins Jenseits.

Um ins jenseitige Reich zu gelangen, musste der Verstorbene erst diverse Prüfungen bestehen wie das Abwiegen seines Herzens. Der Akt diente dem Beweis, dass dieser frei von Schuld war. Ein Glaube, der die Ägypter dazu veranlasste, das Herz in der Mumie zu belassen, während Leber, Lunge, Magen und Eingeweide bekanntlich entfernt und in eigenen Gefäßen aufbewahrt wurden.
Der übersinnliche VR-Trip zählt zum interessantesten, was die Tutanchamun-Show zu bieten hat. Eine sich über drei kleine Räume erstreckende AR-Challenge, bei der man in der Grabkammer Schätze suchen muss, ist schnell vorüber und das versprochene immersive Erlebnis mittels rundherum Film-Bespielung glänzt vor allem durch seine unsagbare kitschige mit viel Einsatz von Goldfarbe ausgeführte Gestaltung. Aber immerhin: es ist ein Spaß für so manches Kind, das sich über die über den Boden kriechenden Käfer freut. Ob das alles den stolzen Preis von regulär 29 Euro rechtfertigt ist fraglich.

Tutanchamun. Das immersive Ausstellungserlebnis
verlängert bis 21. April 2024
Marx Halle: Karl-Farkas-Gasse 19, 1030 Wien
https://www.tutanchamun-immersiv.de/tut/wien

Ägyptische Mumien in Wien:
Falls jemand neugierig geworden ist, mehr über das alte Ägypten zu erfahren: Die Ägyptisch-Orientalische Sammlung des Wiener Kunsthistorischen Museums (KHM) zählt zu den bedeutendsten Sammlungen ägyptischer Altertümer der Welt. Zu bestaunen sind neben Totenbüchern, Grabstelen, Götterfiguren und Objekte des täglichen Lebens auch Menschen-und Tiermumien. Eine Jahreskarte für das KHM- antike Sammlung inklusive - ist für 53 Euro (einmaliger Eintritt 21 Euro) zu haben. https://www.khm.at/besuchen/sammlungen/aegyptisch-orientalische-sammlung/

Wer hätte das gedacht: auch das Pulver von Mumien galt bis ins 20. Jahrhundert hinein als “Medizin”. Unter dem Namen Mumia wurde es beispielsweise unter anderem bei „schädlichen Flüssen“ aus Wunden und Fisteln sowie aber auch als Aphrodisiakum verwendet. Stammte die Mumie aus Ägypten wurde sie mit dem Zusatz “aegyptiaca” oder “vera” versehen. Zudem gab es ab dem 16. Jahrhundert auch „Apotheken-Mumien“, die teilweise als ganzer Körper gelagert und für spätere Verarbeitung vorgesehen waren. So besitzt beispielsweise auch das Wiener Drogistenmuseum Arm und Schädel eines mumifizierten Menschen. Das Museum ist das nächste Mal am Mittwoch, 20. März 2024 sowie am 3. und 17. April 2024 (14:00 - 17:00) geöffnet. http://www.drogistenmuseum.at

Titelbild: TUTANCHAMUN – Das immersive Ausstellungserlebnis © Philipp Lipiarski

Geschrieben von Sandra Schäfer