In ihrem Hit „in der Straßenbahn“ besangen Pirron und Knapp in den 50er-Jahren eine „Grauen erregende Fahrt“ mit der „Tram“ und gelangten zum Schluss: „da steig ma nimma ei“. Von der Bremskurbel im Magen, vom Kopfstehen, gar vom seekrank sein ist hier die Rede. Und das, obwohl die Wiener Tramway immer schon weit mehr als der vom Duo besungene „Rumpelkasten“ war. Bevor die U-Bahnen in die Großstädte Einzug hielten war die Bim – wie man die Straßenbahn hierzulande liebevoll nennt – das Haupttransportmittel in Wien. Noch heute entfallen knapp die Hälfte der über zwei Millionen Fahrgäste, die täglich die Wiener Linien nutzen, auf den Bus- und Straßenbahnverkehr.

Großen Andrang erlebte das Wiener Straßenbahnsystem zu Pirron und Knapps Zeiten vor allem am 1. und 2. November um Allerheiligen und Allerseelen. Dann nämlich wollten Tausende von Menschen, nachdem sie ihre verblichenen Verwandten auf dem Friedhof besucht hatten, mittels Straßenbahn die Heimreise antreten. Auf Grund des ungeheuren Ansturms gab es Sonderzüge, wie die Linie 22, die nur an jenen Tagen verkehrten. Anders als die historische Leichentram, von der sich keine bis heute erhalten zu haben scheint, befindet sich der ehemalige 22er noch in Besitz der Wiener Linien. Verstaubt alte Straßenbahnen wie dieser allerdings noch lange nicht – alle im Verkehrsmuseum befindlichen Fahrzeuge sind nach wie vor fahrtüchtig.

Harte Jahre

Doch auch wenn der Fahrt mit einem derart alten Modell eine gewisse Nostalgie anheftet – Bahn-Romantikern seien hiermit die Tramway-Sonderfahrten der Wiener Linien empfohlen – überkommt einem beim Anblick der hölzernen Sessel der Pferdetram aus dem Jahre 1868 als Museumsbesucher doch eine gewisse Freude über den Fortschritt.
Vor allem für die Mitarbeiter*innen der Wiener Linien dürfte sich ein Arbeitstag heute doch wesentlich angenehmer als in früheren Zeiten gestalten. So saßen Straßenbahnfahrer einst, wie der Kutscher auf seinem Kutschbock, im Freien. In einer Blitzaktion hatte man beispielsweise im eisigen Winter 1929 die Wagen eines ursprünglich 1900 gebauten Triebwagens mit einem gläsernen Windfang bestückt, nachdem etliche Fahrer über Erfrierungen geklagt hatten. Tatsächlich sollen einige dieser Wagen, die auch „Aquarium“ genannt wurden, noch bis in die 70er Jahre in Betrieb gewesen sein. Länger beziehungsweise später als vermutlich geplant war auch die so genannte Kriegsstraßenbahn – eine in aller Schnelligkeit gefertigte Glas-Blech-Konstruktion – auf Schiene. Da bei der Lieferung aus der Fabrik in Heidelberg für die Inbetriebnahme wesentliche Teile vergessen wurden, konnte die Straßenbahn ihre Fahrt in Wien erst nach Kriegsende aufnehmen. Dann allerdings verkehrte sie noch jahrelang auf der Mariahilferstraße. Wesentlich mehr Komfort hatte ab den 50er-Jahren eine aus den USA kommende Straßenbahn zu bieten. Der „Amerikaner“ verfügte über Falttüren – für damalige Zeiten revolutionär – mit herabklappbaren Trittbrettern und erfreute sich bei den Fahrgästen größter Beliebtheit. Nach Wien geschickt wurde er aufgrund des nach dem Krieg nach wie vor bestehenden Fahrzeugmangels. Der erste Neubau nach dem Zweiten Weltkrieg war 1951 der Triebwagen Type B Nr. 51, der auf Grund seiner zischenden Türgeräusche vor allem als der „Zischer“ bekannt war.

Dass man bei den Wiener Linien einen Sinn für klingende Namen hat, beweist auch der „Bus aus dem Fluss“. Letzterer war nach seinem Sturz in die Donau beim Einsturz der Reichsbrücke am 1. August 1976 nach seiner Bergung noch jahrelang im Einsatz. Ein anderer Bus mit markantem Namen ist die „Wiener Schnauze“. Dieser war Teil der ersten Großserie, die nach dem zweiten Weltkrieg für die Wiener Linien gebaut wurde und besticht durch seine charakteristische Frontpartie. Ein besonderes „Prachtstück“ in der Remise ist auch der mit Teak-Holz veredelte originale Stadtbahnwagen.

Frauen nehmen die Fahrt auf

Besucher*innen erfahren neben allerlei Historischem – wie dem Bau des Stadtbahnnetzes, die Entwicklung des Wiener Straßenbahnnetzes und dem großen Tramwaystreik von 1889 – in der Remise allerdings auch einiges zum Thema Zukunftsutopien sowie zur derzeitigen Lage.

Aktuell versehen beispielsweise 8.700 Mitarbeiter*innen ihren Dienst bei den Wiener Linien. Rund 15 Prozent sind derzeit Frauen. Die ersten Frauen wurden ab den 1915er-Jahren, nachdem die Männer zum Kriegsdienst eingezogen worden waren, von den Wiener Linien engagiert. Ab 1917 wurden Frauen zudem auch als Fahrerinnen eingesetzt. Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs wurden sie jedoch schnell wieder aus dem Betrieb gedrängt. Im Zweiten Weltkrieg war der Personalmangel dann so groß, dass Schüler und Studenten dienstverpflichtet wurden. Trotz allem waren die Pläne der Nationalsozialisten hochtrabend, so wurden unter anderem auch Ideen für den Bau einer U-Bahn gehegt. Realisiert wurde diese schließlich ab den 1960er-Jahren, als der Gemeinderat den Beschluss zum Bau eines U-Bahn-Netzes fasste. Zu diesem Zeitpunkt war klar geworden, dass die Verkehrsprobleme der Stadt anders nicht zu lösen sein würden. Heute besteht das U-Bahn-Netz aus fünf Linien (U 1, U2, U 3, U 4, U 6), auf 83 km Streckenlänge halten die Züge in 109 Stationen. Besucher*innen des Museums können sich im Zuge des Rundgangs in einem Simulator selbst als U-Bahn-Fahrer*innen versuchen. Und last but not least lädt auch ein alter Silberpfeil – Wiens erste Generation an U-Bahn-Fahrzeugen – zum nostalgischen Stehen ein.

Dieser Bus stürzte am 1. August 1976 beim Einsturz der Reichsbrücke in die Donau. Heute steht er in der Ausstellung des Verkehrsmuseums Remise @ linkes Bild: ÖNB/ rechtes Bild Manfred Helmer

Verkehrsmuseum Remise
Straßenbahnremise Erdberg,
Zugang vom „Ludwig-Koeßler-Platz“, 1030 Wien
https://www.wienerlinien.at/verkehrsmuseum-remise

Titelbild: Einige der ausgestellten Fahrzeuge des Verkehrsmuseums der Wiener Linien © Johannes Zinner

Geschrieben von Sandra Schäfer