Fast möchte man wieder Kind sein, während man in den weitläufigen Räumlichkeiten der Galerie Krinzinger umherwandelt. Was waren das noch für Zeiten, als man nichts lieber getan hätte als die Wände der Wohnung mit seinen Zeichnungen zu versehen. Verzerrte Gesichter auf die Leinwand gebannt, Puppen in Käfigen, Masken, Modelle von Bühnenbildern, „beschmierte“ Wände und weiße Zettel mit philosophischen Überlegungen. Der deutsche Künstler Jonathan Meese tut das, was viele von uns als Kind ständig taten und es dann wieder verlernten – er springt, er performt, er malt – er schafft Kunst. Gesamtkunstwerk nennt man das allgemein, wenn ein Künstler sich nicht auf ein Genre beschränkt, sondern sich in vielen Sparten themenübergreifend austobt.
Das Werk Meeses umfasst mittlerweile Malerei, Skulptur, Collage, Installation, Videokunst, Bühnenbild und Regie. Alles scheint von einem gewissen Spieltrieb durchzogen. Für Pathos, Ideologien und politische Botschaften ist Meese – wie er bekundet – nicht der richtige Mann. Er selbst betont, er mache Kunst und keine Kultur. Für seiner Arbeit an Wagners Parsifal, die er im Auftrag der die Wiener Festwochen 2017 realisierte, bezeichnete sich der von vielen als Deutschlands radikalster Künstler charakterisierte als Dämonenjäger – eine Art John Sinclair im Kunstbetrieb. In der aktuellen Wagner-Bearbeitung gehe es ihm darum das Werk vom falsch verstandenen „weinerlich Säuseligen“ zu befreien. Ein Weg, den man in Bayreuth, Meese zufolge, nicht bereit war zu gehen. Nachdem ihm die dortigen Wagner-Festspiele absagten, schuf er in Wien eine humorvollere, religionsbefreite Variante des Parsifal. Die Kritiken waren gespalten.
Wagner wieder radikalisieren
In der Galerie Krinzinger können Interessierte noch bis 8. Juli Entwürfe sowohl zur geplanten Bayreuther Oper als auch zur Festwochen-Version, die unter dem Titel „Mondparsifal Alpha 1-8“ über die Bühne ging, sehen. Dazu gleich vorweg: man muss weder mit dem Werk Wagners noch Meeses vertraut sein um die Schau interessant zu finden. Zu sehen sind über 60 Werke – von Bildern über Skulpturen bis hin zu Filmen – die um Notizen von Meese ergänzt wurden. Lesen lassen sich die diversen Zettel schnell. Wer sich also über das Werk des Künstlers informieren will, sollte dies vor allem aus erster Quelle tun. „Kunst ist die Überwindung aller ideologischen Staatssysteme“, „etwas heilig zu machen ist ideologischer Mist“ oder „Richard Wagner muss wieder radikalisiert werden, so wie er mal war“ heißt es darin. Nur einige der Überlegungen Meeses – rund 400 Seiten soll er mittlerweile zum Thema in Form von Manifesten verfasst haben. In einem „Propagandafilm“ bekennt er, alleine in Wien rund 200 Wagner-Gedichte geschrieben zu haben.
Ein von der Kunst Besessener, der sich selbst gerne auch als Ameise der Kunst betitelt. Von der Presse wurde er auch schon als „Prahlhans“ oder „Schalksnarr“ bezeichnet. Wobei letzteres eine Bezeichnung sein dürfte mit der Meese sich vermutlich anfreunden könnte. So ist auch der Mondparsifal „der Narr der Zukunft“, ein Kind, das die in ihren Ideologien gefangenen Gralsritter befreit und danach wieder den Weg in die Natur antritt. Es ist definitiv nicht neu darauf zu verweisen; aber vielleicht sollten wir alle ein bisschen mehr den Narren in uns erkennen. Selbst bemalen darf man die Wände der Galerie deshalb aber noch lange nicht. Das darf dann eben doch nur, wer von der Kunstwelt auch als Künstler anerkannt wird.
DE PAKT MIT RICHARD WAGNERZ (Gestattns’: Die Hügeljanerz he…
Jonathan Meese
Noch bis 8. Juli 2017
Galerie Krinzinger
Seilerstätte 16
1010 Wien
www.galerie-krinzinger.at
siehe auch:
https://www.youtube.com/watch?v=lQDnzszDeGg
© Photography: JanBauer.net, courtesy JonathanMeese.com Courtesy Galerie Krinzinger, Wien; KHM-Museumsverband; Sandra Schäfer
Teilen mit: