Schätzungsweise 300 Stück sollen heute noch existieren. Für Sammler sind sie nicht leicht in die Finger zu bekommen – die von den Künstlern der Wiener Werkstätte zu Beginn des 20. Jahrhunderts gestalteten Bucheinbände. Einer der es trotzdem geschafft hat über die Jahre eine reiche Auswahl zusammenzutragen ist der österreichische Sammler Ernst Ploil. Seine Schätze sind um Leihgaben der Sammlung Richard Grubman und Stücke aus dem Mak (Museum für angewandte Kunst) ergänzt noch bis 18. Juni im Kunstblättersaal des Museums zu bestaunen. Bei den kostbaren, rund 70 ausgestellten Büchern handelt es sich trotz manch Bestsellers allesamt um Unikate. Darunter auch veredelte Klassiker der Weltliteratur wie Dante Alighieris „Göttliche Komödie“ oder „Les Trois Mousquetaires [Die drei Musketiere]“ von Alexandre Dumas, die durch Josef Hoffmann eine künstlerische Erweiterung im äußeren Erscheinungsbild erfuhren. Einer Veredelung unterzogen wurden aber auch Fotobücher wie beispielsweise jenes für die Frau des Industriellen (und Gründungsmitglied der Wiener Werkstätte) Fritz Waerndorfer, Lilly Waerndorfer, oder das Gästebuch des Bibliothekars des „Österreichischen Museums für Kunst und Industrie“ Hans Ankwicz-Kleehoven.

Kostbare Materialien mit hohem technischen Know-how gefertigt

Nicht immer handelte es sich bei den individuell angefertigten Einbänden um Bestellungen von Kunden. Auch für die Schaufenster einzelner Verkaufsstellen wurde quasi als PR-Maßnahme gearbeitet. Rentiert hat sich das Unternehmen dennoch nicht. Und das obwohl das teuerste Stück – ein handbemaltes Exemplar der Künstlerin Anny Schröder – einen Preis von 400 Kronen (heute geschätzte 10.000 Euro) eingebracht haben soll. Doch trotz solch beachtlicher Preise „war der kommerzielle Erfolg null“, weiß Ernst Ploil, der auch daran erinnert, dass für die Wiener Werkstätte während ihres rund 30jährigen Bestehens drei Privatvermögen draufgingen.

Im Falle der zu sehenden Bucheinbände dürfte ein Teil des Geldes wohl auch in die edlen Materialien geflossen sein. Zum Einsatz kam zumeist Ziegenleder, so genanntes „Maroquin“, das Hoffmann und Moser nach dem Vorbild der englischen Arts and Crafts-Bewegung aus Paris bezogen. Aber auch exotische Lederarten wie Krokodil- oder Schlangenleder und mitunter sogar Froschhaut fanden Verwendung. Bearbeitet wurden die edlen Materialien vom Wiener Buchbinder Carl Beitel, der ab 1904 für die Wiener Werkstätte als Geschäftsführer der Buchbinderei tätig war. Hier, in der hauseigenen Buchbinderei, wurden die Entwürfe von Moser und Hoffmann – und später einer ganzen Gruppe von Gastkünstlerinnen wie unter anderem Irene Schaschl-Schuster, Hilde Jesser und Mathilde Flögl – mit höchstem technischen Know-how umgesetzt. Sich selbst von der Haltbarkeit der rund 100 Jahre alten bibliophilen Kostbarkeiten überzeugen kann man sich leider nicht.

Die erlesene Auswahl dient lediglich dem Auge als Anreiz. Für die Lektüre müssen die Ausstellungsbesucher dann doch wieder auf ihre heimischen Exemplare von der Stange zurückgreifen. Allerdings, warum sich nicht Inspiration für ein eigenes Buchprojekt holen? Auch heute kann man sich noch Bücher gestalten lassen oder auch selber gestalten. Seit zwei Jahren bietet die NDU (New Design University) in St. Pölten zum Beispiel einen speziellen Lehrgang an. Wer weniger Zeit und Geld investieren möchte – die Wiener High-End-Papeterie „Sous-bois“ veranstaltet regelmäßig Workshops zum Binden und Gestalten von Notizbüchern. Bis man allerdings eine derartige Fertigkeit entfaltet, um mit seinem Werk selbst einmal ins Museum zu gelangen, dauert es vermutlich.

Bucheinbände der Wiener Werkstätte
Noch bis 18. Juni 2017
MAK – Österreichisches Museum für angewandte Kunst / Gegenwartskunst
Stubenring 5, 1010 Wien
T +43 1 711 36-0
Öffnungszeiten: Di 10:00–22:00 Uhr, Mi–So 10:00–18:00 Uhr, Mo geschlossen
(Jeden Dienstag 18:00–22:00 Uhr Eintritt frei)
www.mak.at

© Fotos: MAK/Georg Mayer; MAK; Sammlung Richard Grubman; Sammlung Ernst Ploil

Geschrieben von Sandra Schäfer