Seit über 100 Jahren erscheint pünktlich um eins Marc Aurel auf der Ankeruhr am Hohen Markt. Nicht nur, dass dieser in Form der von Franz Matsch gestalteten Figur (Matsch übernahm im Übrigen auch die Auswahl, wer zu sehen sein sollte) attraktiv anzusehen ist, so ist der ehemalige römische Kaiser mit der Stadt Wien zudem auch auf besondere Weise verbunden. Dem Historiker Aurelius Victor zufolge soll dieser in Vindobona (wie sich das auf der Fläche des heutigen Gebietes rund um den Hohen Markt ab dem 1. Jahrhundert n. Chr. situierte Legionslager nannte) 180 n. Chr. verstorben sein. Eine Angabe, die jedoch nicht von allen Historikern geteilt wird – so meinen andere (allen voran der Geschichtsschreiber Historiker Tertullian) Marc Aurels letzte Stunde hätte in der serbischen Stadt Sirmium (Sremska Mitrovica) geschlagen. Historisch verbürgt ist jedenfalls, dass sich Marc Aurel spätestens seit dem Ausbruch der Markomannenkriege (166-180 n. Chr.) regelmäßig in der Gegend aufgehalten hat. In die Geschichte eingegangen ist der römische Imperator und Kriegsherr wider Willen jedoch weniger aufgrund seiner Fähigkeiten als Feldherr, sondern vielmehr seinen Interessen entsprechend als der letzte bedeutende Stoiker.
Schon früh wurde seine Begabung erkannt
Am 26. April 121 in Rom als Sohn einer einflussreichen Familie geboren, zog er bereits als Kind die Aufmerksamkeit Kaiser Hadrians auf sich. Dieser befahl seinen Adoptivsohn, dem späteren Kaiser Antoninus Pius, den durch seine Gelehrigkeit auffallenden Jüngling zu adoptieren (eine übliche Praxis um für geeignete Nachfolge zu sorgen). Als Antoninus Pius 161 stirbt, wird Marc Aurel zum Kaiser – seinen Adoptivbruder ernennt er, zum ersten Mal in der Geschichte Roms mit Billigung des Senats, zum Mitregenten. Einer der Gründe, über die seit jeher gerätselt wird, liegt möglicherweise in der größeren Erfahrung, über die Lucius Verus in Belangen der Heerführung verfügte. Eine Fähigkeit, die Marc Aurel jedoch nicht lange für sich nutzen konnte. 169 stirbt Lucius Verus und Marc Aurel muss sich allein an der Spitze des römischen Reiches den immer wieder einfallenden Quaden, Markomannen und Jazygen stellen.
Schwierige Zeiten
Doch die Situation ist ungünstig: nach Jahrzehnten des Friedens war das Römische Reich erstmals 161 durch den Einfall der Parther erneut zur Kriegshandlung gezwungen worden. Den Konflikt konnten die Römer zwar für sich entscheiden – die Folgen des Krieges sollten sich jedoch als weitreichend erweisen: die aus dem Kampfeinsatz zurückkehrenden Soldaten schleppten die als Antoninische Pest in die Geschichte eingegangene Suche ein. Diese sollte in den kommenden Jahren unzählige Opfer fordern. Da sich unter den Verstorbenen auch viele Soldaten befanden, sah sich der Kaiser gezwungen, seine Truppen mit Gladiatoren und Verurteilten aufzufüllen. Um dem Engpass in der Kriegskasse entgegenzuwirken (bereits während seiner ersten Zeit im Amt hatte eine katastrophale Flut Rom heimgesucht, was sich nicht minder negativ auf die Staatskassen ausgewirkt hatte) versteigerte er, anstelle einer Steuererhebung, seinen persönlichen Luxusbesitz. Innenpolitisch versuchte er das Los der Sklaven und Frauen zu erleichtern. Mit seinem ausgeprägten Hang für Gerechtigkeit erwirkte er außerdem die Erhöhung der Gerichtstage. Auch während seiner Zeit in den Feldlagern soll Marc Aurel regelmäßig Recht gesprochen haben. Schon in jungen Jahren war ihm die Wahrheitsfindung wichtig (was ihm von Hadrian bezugnehmend auf seinen ursprünglichen Namen Marcus Annius Verus dem Spitznamen Verissimus eingebracht haben soll) Standesdünkel waren dem nach Bescheidenheit strebenden Kaiser fremd. Sich seiner Rolle sehr wohl bewusst, sah er sich denn als Teil eines vom Logos (der Vernunft) durchzogenen Kosmos, in dem alles mit allem – jeder Mensch mit seinen Mitmenschen verbunden ist. In seinen ab 170 entstandenen Selbstbetrachtungen schreibt er. „Hat er auch nicht an demselben Blut oder Samen mit mir teil, so doch an demselben Geist und an der göttlichen Abkunft.“
Selbstbetrachtungen im Kanon der Weltliteratur
Ursprünglich als Mahnungen an sich selbst verfasst, sollten die „Selbstbetrachtungen“ im Laufe der Geschichte eine weite Rezeption erfahren. Vom Diakon von Patras, Arethas, im 9. Jahrhundert über Kaiser Friedrich von Preußen bis hin zum ehemaligen Bundeskanzler Helmut Schmidt, äußerten sich zahlreiche Nachfahren immer wieder über die Wichtigkeit, die die Lektüre von Marc Aurel in ihrem Leben gespielt haben soll. Entstanden sind sie während der Markomannenkriege unter anderem vermutlich auch in Vindobona. Ortsangaben sind lediglich für das erste und zweite, der heute in zwölf Bücher aufgeteilten Schriften, zu lesen. So sollen die Eintragungen des zweiten Buches angeblich in Carnuntum das Licht der Welt erblickt haben.
Als Carnuntum das Zentrum der Welt war
Ab 170 wurde die ehemalige Hauptstadt der römischen Provinz Oberpannonien von Marc Aurel als strategisches Zentrum der römischen Gegenoperation ausgewählt. Fast drei Jahre verbrachte der Kaiser hier. Noch heute erinnern mehrere nach Marc Aurel benannte Straßen sowie eine Kaserne, ein Hotel oder ein Wein an seinen Aufenthalt. Besucht man das Museum Carnuntinum in Bad Deutsch-Altenburg, so wird man gleich beim Eingang von einer Büste Marc Aurels begrüßt. Und auch im Inneren erinnert die Replik einer Büste an den Aufenthalt des Kaisers in der Region. Seit 1960 gedenkt zudem eine Säule, errichtet an jener Stelle, von wo aus angeblich die römische Brücke über die Donau geschlagen wurde, an Marc Aurel. Seit 2001 verfügt auch noch die Stadt Tulln an der Donau über ein von dem österreichisch-russischen Bildhauer Michail Nogin geschaffenes Mark Aurel Denkmal.
Wiener Spuren der Erinnerung
Auch in Wien hat sich der Kaiser, der eigentlich Philosoph sein wollte, in das Erscheinungsbild der Stadt eingeschrieben. Neben seinem täglichen Auftritt auf der Ankeruhr, erinnern unter anderem die Marc-Aurel-Straße sowie der Marc-Aurel-Hof (die Hausecke ziert eine Statue des Herrschers) an seine einstige Präsenz in der heutigen österreichischen Hauptstadt. Wer sich zudem das Kaiser Josef II. Denkmal auf dem Josefsplatz näher anschaut, wird möglicherweise eine starke Ähnlichkeit mit der Marc Aurel-Reiterstatue (aufgrund ihrer Verwechslung mit Konstantin des Großen die einzige in ihrer Vollständigkeit erhaltene antike Reiterstatue) in Rom erkennen.
Aus antiker Zeit erhalten haben sich mehrere Münzen und Büsten, die in der Antiken- beziehungsweise Münzsammlung im Kunsthistorischen Museum ausgestellt sind. Aber auch das Wien Museum verfügt mit Münzen auf denen Marc Aurel und seine ihm Angetraute Gattin Faustina zu sehen sind über Überreste aus jener Zeit, als die Römer Teile des heutige Wiens bevölkerten.
Titelbild: Marc-Aurel-Darstellung auf der Ankeruhr auf dem Hohen Markt
Quellen:
Wikipedia
Marc Aurel und Carnuntum: Hrsg. Franz Humer. [Sonderausstellung aus Anlass des Jubiläums „100 Jahre Archäologisches Museum Carnuntinum“, Bad Deutsch-Altenburg, 20. 03. – 15. 12. 2004]
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