Noch heute ziert ein Relief von Semmeln, Kipferl und Brezel das Haus in der Grünangergasse Nr. 8/3 als Symbol für das Bäckergewerbe das in diesen Gemäuern über die Jahre ausgeübt wurde. Selbst Bäckereigeschichte soll laut Legende hier einst geschrieben worden sein. So soll in besagtem Haus das Wiener Kipferl ins Licht der Welt gebacken worden sein. Seine Form erhielt das beliebte Wiener Frühstücksgebäck angeblich vom türkischen Halbmond unter dem die Türken zuvor Wien belagert hatten. Für viele ein Symbol der Angst zur Köstlichkeit umfunktioniert. Eine schöne Geschichte – wahr oder nicht, verdeutlicht sie nicht zuletzt die Kraft von Symbolen und (Zunft)Zeichen.

Um Zeichen, im erweiterten Sinn geht es passend dazu auch in der aktuellen Ausstellung der Galerie Straihammer und Seidenschwann, die im Haus seit 2015 untergebracht ist. Noch bis 9. September zieren die Bilder und skulpturale Arbeiten der australischen Künstlerin Jenny Watson und der heimischen Gruppe K.U.SCH. die historischen Räumlichkeiten.

Im Strom der Zeit

Was die unterschiedlichen Künstler verbindet dürfte sich am ehesten mit den Stichwörtern Bewegung und Rhythmus durch Zeit und Raum beschreiben lassen. Wie aus dem Alltag gerissen wirken beispielsweise die auf ungrundierten Stoffen entstandenen Arbeiten der mit über 100 internationalen Einzelausstellungen aufwartenden Australierin. Kleine aber durchaus komplexe Geschichten, die sowohl feministische wie persönliche Themen verhandeln. Als Betrachterin oder Betrachter findet man sich beispielsweise vor dem Bild einer Frau wieder, die gerade dabei ist ein Pferd zu waschen. Was sie in diesem Moment wohl denken mag? Antwort liefert eine Texttafel daneben – so zumindest lässt es eine der möglichen Interpretation zu. Denn Text und Bild stehen nicht in direktem Bezug zueinander und es bleibt den Betrachterinnen und Betrachtern überlassen welche Geschichte sie in ihren Köpfen formen.

Assoziativ dürfte auch ein Blick in das kleine Kabinett ausfallen, das neben dem Stiegenaufgang rechts untergebracht ist. Der kleine Raum, der nur über eine Art Hendlleiter erreichbar ist, diente einst als Schlafstelle des Bäckerjungen. Heute wird er als Depot/Ausstellungsraum genutzt.

K.U.SCH. Leben als Gesamtkunstwerk

Ein regelrechter „Wasserfall“ von Assoziationen prasselt auf einen in einer Installation von K.U.SCH. – Renate Krätschmer und der 2013 verstorbenen Künstler Jörg Schwarzenberger, die seit den frühen siebziger Jahren unter diesem Label gemeinsam Arbeiten präsentieren – hernieder. Für die Schau in der Galerie arrangierte der 2006 der Gruppe beigetretene Sohn Sito Schwarzenberger unterschiedliche „Fundstücke“ aus dem Œuvre seiner Eltern zu einer Installation. Gesäumt wird die Wand-Bodenarbeit von Zeichnungen Krätschmers zum Thema Tanz und Rhythmik sowie einer Serie zur Migration. Menschen, die zu Objekten/Strichen werden hin und her „geschoben“ auf der fiktiven „Landkarte“ des Papiers.

Ebenfalls von Krätschmer vertreten ist eine Serie mit chinesischen Schriftzeichen auf Zeitungspapier. Der Künstlerin, die mit ihrer Familie regelmäßig Zeit in China verbrachte, geht es hier vor allem um den Widerspruch der historischen Kalligrafie, die Kunst Schriftzeichen kunstvoll gefertigt auf edles Papier zu bringen, und der Schnelllebigkeit von Information, gedruckt auf minderwertigem Material. An die performativen Arbeiten des Künstlerteams erinnern hingegen eine Reihe von Masken, die Krätschmer und Schwarzenberger für das Prozessionstheater schufen – Aufführungen, die in Wien und Niederösterreich über die Straße gingen. Neben Prozessionen sowie Skulpturen und Zeichnungen entwickelte K.U.SCH. Filme, Texte sowie Interventionen im öffentlichen Raum. Einen klitzekleinen Überblick über das umfangreiche Werk kann man sich mit den Arbeiten in der Galerie verschaffen. Besucher können sich im Fauteuil neben dem Kamin in eine aufliegende Publikation vertiefen. Und wer neugierig geworden ist, kann zudem auch dem berühmten Schweizerhaus im Prater einen Besuch abstatten. Hier füllen mehrere Arbeiten der Gruppe – darunter auch ein Bierbarometer – den Raum aus. Statt Kunst und Kipferl, heißt es dort dann eben Kunst und Bier.

Jenny Watson „Other Lives“ und „Am Rande des Etwas“ von K.U.SCH. Renate Krätschmer und Sito Schwarzenberger
bis 9. September 2017
Galerie Straihammer und Seidenschwann, Grünangergasse 8/3
1010 Wien
Öffnungszeiten: Di – Fr von 12.00 bis 18.00 Uhr, Sa von 11.00 bis 15.00 Uhr
www.galerie-sunds.at

© Sandra Schäfer, Galerie Straihammer und Seidenschwann

Geschrieben von Sandra Schäfer