Seit 2014 ist Wien Stadt der Menschenrechte. Damit geht die Aufgabe einher, die am 10. Dezember 1948 in den „Bill of Rights“ in Paris zusammengefassten Menschenrechte für alle in der Stadt lebenden Menschen – ungeachtet ihres Alters, ihrer Herkunft und Staatsangehörigkeit, ihrer Sprache, Religion, Behinderung, sexuellen Orientierung und Identität – optimal zu verwirklichen. Kein leichtes Unterfangen – denn auch wenn die 30 Artikeln der Menschenrechte mittlerweile ein weltweit anerkanntes Wertesystem bilden, ist die Menschheit (wie sich auch dieses Jahr wieder auf traurige Weise bestätigt) von ihrer Einhaltung nach wie vor oftmals meilenweit entfernt. In der Absicht die Menschen weltweit für das Thema zu sensibilisieren gehen jedes Jahr – vor allem rund um den Tag der Menschenrechte am 10. Dezember – auch zahlreiche künstlerische Initiativen über die Bühnen.

Lieferten in Wien auch heuer wieder zahlreiche Arbeiten im Rahmen des „This Human Right“-Filmfestivals (in Form eines digitalen Heim-Kinos) berührende und spannende Einblicke, so laden dieses Jahr erstmals auch die „Wiener Lichtblicke“ zum Spaziergang an der frischen Luft ein. Noch bis 10. Jänner können Stadtflaneure auf einem rund 1,5 Stunden dauernden Rundwanderweg „10.000 Schritte zum Nachdenken, Hinsehen und Zuhören“ zurücklegen.

Ins Licht gerückt

Ziel des innovativen Kunstprojektes ist es, sich „im Stadtraum von Kunst und Menschenrechten inspirieren zu lassen“, betont die Leiterin des Menschenrechtsbüros der Stadt Wien, Shams Asadi. Für die künstlerische Umsetzung des Projekts zeichnete Victoria Coeln verantwortlich. Die österreichische, in Wien geborene Künstlerin, studierte Bühnenbild und Mathematik und beschäftigt sich seit mehreren Jahren mit der Erschaffung von Lichträumen. Bereits 2007 verhalf sie dem Wiener Konzerthaus zu seinem nächtlichen rosa Erscheinungsbild. Seit 2008 vermittelt ihre ebenfalls permanente Lichtinstallation „I Painting the Night“ im Stadtpark Nachtschwärmern nicht nur vermehrt Sicherheit, sondern auch ein Beispiel dafür, wie Licht und Kunst im öffentlichen Raum eine gelungene Symbiose eingehen können.

„Chromotope“ nennt Coeln ihre Installationen, die durch handbearbeitete, in Projektoren eingelegte, Glassätze entstehen. Im Rahmen der „Wiener Lichtblicke“ schuf die Künstlerin zehn Stationen zum Verweilen. Für die Passantinnen und Passanten gilt es den Lichtlinien zu folgen und dadurch einen neuen Blick auf die Dinge zu erhalten. Häuserkanten, Gehsteige und Zäune präsentieren sich in ungewohnter Weise. Gegenstände wie Menschen treten plötzlich ins Licht und verschwinden wieder. Wer sich auf den Rundgang macht, sollte vor allem eines mitbringen: Zeit und die Lust zum Entdecken – nicht zuletzt in Zeiten von Corona eine willkommene, sinnvolle und sichere Beschäftigung. Gerade in Phasen oder Zeiten der Dunkelheit kommt Licht eine stark verbindende Wirkung zu: „Durch Licht können wir einander berühren, ohne uns direkt zu berühren. Licht ist das Medium, das Wirklichkeit überhaupt erst herstellt. Schaffen wir neues Licht, sehen wir einander in einem neuen Licht. Das ändert die Perspektiven und ein Stück weit die Sicht auf die Welt“, ist Coeln, die an der Wiener Universität der angewandten Kunst unterrichtet, überzeugt.

Neuer Universitätslehrgang „Angewandte Menschenrechte“

Ab Herbst 2020 bietet „Die Angewandte“ einen viersemestrigen englischsprachigen Universitätslehrgang zum Thema Kunst und Menschenrechte an. Geleitet wird der „Vienna Master of Arts in Applied Human Rights“ von Prof. Manfred Nowak, dem ehemaligen Leiter des Boltzmann-Instituts und Generalsekretär des „Global Campus of Human Rights“ in Venedig.

„Kunst und Menschenrechte sind eng miteinander verknüpft: Zum einen schützen die Menschenrechte die Freiheit der Kunst und garantieren allen Menschen einen gleichberechtigten Zugang und aktive Mitwirkung am kulturellen Leben. Zum anderen kommt Künstlern, Künstlerinnen und Kulturschaffenden eine tragende Rolle zu, die Vision der Menschenrechte in den Köpfen und Herzen der Menschen zu verankern“, so Nowak, der unter anderen 2014 an der Verankerung Wiens als Stadt der Menschenrechte beteiligt war.

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Wiener Lichtblicke
Lichtinterventionen für alle in der Menschenrechtsstadt Wien
10. Dezember 2020 – 10. Januar 2021
Täglich von Sonnenuntergang bis Sonnenaufgang
Ein Projekt von Victoria Coeln. Produktion: NIPAS, im Auftrag des Menschenrechtsbüros der Stadt Wien.
Karte zu den Orten der Wiener Lichtblicke unter: https://nipas.ac.at/

Titelbild: Würstelstand Pfeilgasse/Strozzigasse © Victoria Coeln, Foto: Sandra Schäfer

Geschrieben von Sandra Schäfer