Sänger und Texter Henk Hofstede war vorab für einige Interviews in Wien und sprach mit Robert Fischer über die Entstehung des aktuellen Tonträgers „Tree House Fire“.

Henk, zentrales Thema der sechs neuen Songs auf eurem neuen Mini-Album ist das Feuer, das 2022 euer Studio De Werf in Amsterdam völlig zerstörte. Wie seid ihr als Band über dieses schreckliche Ereignis hinweggekommen?

Ja es war furchtbar, das Feuer hat alles in ein paar Stunden zerstört. Es gab einen bestimmten Moment, kurz nach dem Brand, wo wir alle gemeinsam vor dem niedergebrannten Studio gestanden sind und gesagt haben: Wir müssen über diese Sache schreiben, es muss ein neues Album geben, wir machen weiter! Ich habe dann bald angefangen über meine Erinnerungen an die vielen Stunden, Tage und Wochen, die wir in diesem Studio verbracht haben, zu schreiben. Auch über die vielen Instrumente, die in den Flammen zerstört wurden, habe ich mir so meine Gedanken gemacht. Daraus wurden Schritt für Schritt dann Songtexte beziehungsweise Stücke für unser neues Album.

Kannst du noch etwas mehr über den Entstehungsprozess von „Tree House Fire“ erzählen?

Wir hatten durch den Brand kein Studio zur Verfügung, können daher auch nicht richtig proben. Dann bin noch erkrankt, und es fehlte mir dadurch die Energie für längere Aufnahmesessions. Als Folge der Erkrankung kann ich immer nur für kurze Zeit sprechen oder singen. Anfangs war jedes Live-Konzert daher eine große Herausforderung und ich wusste vorher nicht, ob ich den Auftritt schaffen würde. Zu der Zeit waren u.a. große, ausverkaufte Konzerte in Paris und Amsterdam angesetzt. Es hat dann schlussendlich geklappt, ich konnte alle Gigs absolvieren, aber in den Tagen dazwischen musste ich immer wieder längere Pausen einlegen. In punkto Studio-Arbeit war es ähnlich, wir haben daher diesmal versucht, das Album in kürzeren Sessions fertig zu stellen.

Wie gehst du prinzipiell beim Songwriting vor?

Bei diesem Album war alles ein bisschen anders, als wenn sonst neue Songs von The Nits entstehen. Früher haben wir immer so gearbeitet, dass wir im Studio für längere Zeit improvisiert haben. Aus diesen Sessions entstanden dann meine Songtexte. Ich habe da im Studio manchmal teilweise einfach nur Nonsens gesungen, wenn mir in einem bestimmten Moment kein Text eingefallen ist. Aktuell reise ich immer mit meinem mit iPad. Abends setzte ich mich hin, sammle die wichtigsten Gedanken des Tages und nehme ein bisschen was davon auf. Das ist so eine Art persönliches Tagebuch, und das fließt in mein Songwriting ein. Das mache ich aber nur, wenn ich auf Tour oder auf Reisen bin, zuhause bin ich meist mit anderen Dingen beschäftigt.

Ein schöner Song am neuen Album ist „The Tree“. Wie ist das Stück entstanden?

Zuerst gab es eine Foto-Session auf dem Gebiet, wo früher unser Studio gestanden ist. Dabei ist mir aufgefallen, dass ein einziger Baum das Feuer im Studio überlebt hat. Der Baum steht dort schon sehr lange, und war auch schon da, als wir vor vielen Jahren in den achtziger Jahren das Studio bezogen haben. Ich dachte mir: Wow, dieser Baum könnte sicher schon jede Menge Geschichten erzählen! Das inspirierte mich zu einem Song, und in meiner Fantasie dachte ich auch gleich an einen Vogel, der in diesem Baum sitzt und alles beobachtet, was rundherum passiert. Das hat dann gleich zu einem anderen neuen Song namens „The Bird“ geführt

Wie hat sich das Stück dann weiter entwickelt?

Der Text zu „The Tree“ war anfangs etwas improvisiert, und noch nicht ganz komplett. Die restlichen Lyrics für den Song habe ich dann direkt, als wir das Stück aufgenommen haben, fertig geschrieben. Die Aufnahme fand letzten Oktober am Ende einer langen Studiosession statt, als meine Stimme schon erschöpft und etwas gebrochen war.  Das gibt dem Gesang auf dem Track einen zerbrechlichen Touch. Zu Beginn war „The Tree“ eigentlich ein Uptempo-Song, fast so eine Art Reggae. Aber da die Session an diesem Tag schon langsam dem Ende entgegen steuerte, und wir alle schon etwas müde waren, haben wir bei der finalen Version probiert, das Tempo komplett rauszunehmen. Das hat super funktioniert und ich glaube, und es war dann gleich der erste oder zweite Take von „The Tree“, den wir dann für das Album verwendet haben.

Zu dem Song gibt es auch ein schönes Video. Wer hatte die Idee dafür?

Ich lebe in Amsterdam in der Nähe von einem großen Park. Im Herbst gibt es da einen ganz speziellen Baum, der wunderschön ist. Die Leute kommen von nah und fern, nur um diesen einen Baum anzusehen. Daher beschloss ich ihn in den Mittelpunkt des Videos zu stellen. Eines Morgens sah ich aus dem Fenster und bemerkte, dass dicker Nebel herrschte. Ich dachte mir: Hey, das ist das perfekte Set-Up! Durch den Nebel war das ganze Areal fast menschenleer. Ich hatte einen dicken Mantel an, und begann mich dabei zu filmen, wie ich auf dem Rasen herumtanze. Ein paar Tage später habe ich dann am selben Ort noch ein paar Szenen mit der Band gedreht. Da war aber schönes Wetter, und wir haben uns eine kleine Nebelmaschine ausgeborgt, um für die richtige Atmosphäre zu sorgen (schmunzelt)! Übrigens, dass am Ende des Videos ungeplant noch ein Hund durchs Bild gelaufen ist, hat mich selbst überrascht.

Du hast mir vorher erzählt, du möchtest in Wien noch eine Ausstellung in der Albertina besuchen bzw. bist auch abseits der Musik passionierter Maler und Bildhauer. Wie viel Zeit wendest du dafür auf? 

In der letzten Zeit nicht mehr so viel, aber doch immer wieder mal. Ich gestalte gemeinsam mit meiner Frau schon seit den Anfängen immer die Cover-Artworks der Nits-Alben. Für das Cover von „Tree House Fire“ habe ich u.a. die ganzen Instrumente, die wir bei dem Brand im Studio verloren haben, gezeichnet. Wie z.B. mein altes Keyboard, Gitarre, Wurlitzer-Klavier, Banjo, Schlagzeug und so weiter. Die Zeichnungen wurden dann für das CD-Cover noch etwas bearbeitet.   

Ich habe gehört in eurem Studio war auch das bandeigene Audio- und Videoarchiv. Wurde das ebenfalls zerstört?

Ja, das meiste wurde durch das Feuer vernichtet. Wir hatten z.B. sehr viele alte Audio-Cassetten mit Aufnahmen von diversen Live-Konzerten beginnend mit den achtziger Jahren oder viele Aufnahmen von unseren Proben. Es gibt auch viele Video-Aufnahmen der Band, da ich seit Beginn bzw. seit den ersten internationalen Tourneen zwischen durch immer mitgefilmt habe, zuerst mit Super 8, dann Hi8, und später auf VHS. Glücklicherweise habe ich während der Corona-Pandemie begonnen, diese Video-Sammlung nach und nach in meine Wohnung zu transferieren, um sie zu digitalisieren. Darum sind diese Filme heil geblieben bzw. nicht Opfer des Feuers geworden. Einige Standbilder dieser Videos habe ich für mein Buch „Iceberg“ verwendet, das bei unseren Live-Konzerten am Merch-Stand erhältlich ist.

Vielen Dank für das Gespräch!

Live:
Do, 14.11.2024 – Theater Akzent
Link: nits
Aktuelle CD: „Tree House Fire“ (Music on CD (H’Art), 2024)

Zur Person: Henk Hofstede, geboren 1951 in Amsterdam, ist ein niederländischer Songwriter, Musiker und bildender Künstler.Er studierte Kunst an der Gerrit Rietveld Academie in Amsterdam. 1974 gründete er mit zwei Freunden die Band The Nits. Die Gruppe machte sich bald mit erfolgreichen Alben wie z.B. „Omsk“ und vielen internationalen Auftritten einen Namen als eine der kreativsten Popbands Europas.  Die Band, der neben Henk Hofstede noch Schlagzeuger/Perkussionist Rob Kloet und Keyboarder Robert Jan Stips angehören, hat seit ihrer Gründung mehr als dreißig Alben veröffentlicht. Zu Ihren bekanntesten Songs zählen „In The Dutch Mountains“, „J.O.S. Days“, „Adieu Sweet Bahnhof“ und „Nescio“. In den letzten fünf Jahrzehnten haben The Nits einen einzigartigen Sound geschaffen und leisteten einen wichtigen Beitrag zur europäischen Popkultur. Am 16. Mai 2022 brannte das Studio von The Nits in Amsterdam bis auf die Grundmauern nieder. 2024 feiert die Band mit einem neuen Album und einer Konzerttournee NIT50 ihr 50-jähriges Bühnenjubiläum

Geschrieben von Robert Fischer