Mit „Ein bisschen Frieden“ sang sich die deutsche Sängerin Nicole 1982 beim Eurovision Song Contest in die Herzen der Menschen. „Ein bisschen Frieden“ lässt sich derzeit auch am Wiener Schwarzenbergplatz finden. Die deutsche Kuratorin Tina Zickler schuf mittels einer Crowdfunding-Kampagne und geringer Unterstützung der Stadt Wien ein 33 Meter breites Labyrinth aus diversen Pflanzen. Vorbei an Flieder, Schneeball und Haselnuss führt noch bis 5. Juni der 310 Meter lange Weg ins Herz der temporären Installation. Auch eine Möglichkeit dem alltäglichen (Großstadt)-Stress zu entfliehen. Das Labyrinth erscheint als Ort der Reflexion, der Kontemplation. Als solchen wussten es immerhin auch schon die Kirchenväter einzusetzen. Labyrinthe wie jenes in der Kathedrale Notre-Dame de Chartres aus dem 11. Jahrhundert zeugen vom Einzug des 5.000 Jahre alten Kulturguts in die christliche Tradition.
Aber auch das Rathaus in Gent wartet mit einem rund 500 Jahre alten Labyrinth auf. Wer sich aus Kostengründen keine Pilgerfahrt zur Buße leisten konnte wurde stattdessen dazu verurteilt die auf dem Boden gemalten Gänge viele Male zu durchschreiten.
Nachzulesen sind solche Historien auf zwei mehrkantigen Säulen, die als Ausstellungsdisplay fungieren. Im Rahmen ihres Projektes hat Zickler die unterschiedlichsten Beispiele für Labyrinthe in Europa zusammengetragen. Für die Kuratorin ist das Labyrinth nicht zuletzt ein Statement für ein vereinigtes Europa in Zeiten der erstarkenden Nationalismen. Ein Zeichen für den kulturellen Austausch, für eine fließende, miteinander verbundene Kulturgeschichte der einzelnen Länder. Ein Projekt, das ihr mit seinem niederschwelligen Zugang im europäischen Kulturerbejahr 2018 passend erschien.
Europäisches Kulturgut
Tatsächlich lassen sich labyrinthische Formen überall in Europa ausfindig machen: Von Skandinavien, wo rund 500 so genannte Trojaburgen (Steinsetzungen in schlingenartiger Form) an den Küsten zu finden sind, über Rasenlabyrinthe in Großbritannien bis hin zu einem Graffito in Pompeji. Aber auch in der modernen Kunst wird nach wie vorne gerne mit dem Labyrinth als Symbol gearbeitet. Ein Beispiel wäre eine Arbeit von Sam Durant, der im Oktober 2015 vor dem Rathaus in Philadelphia eine Installation aus Maschendraht formte um so Kritik am amerikanischen Gefängnissystem zu üben.
Permanent zu besichtigen ist hingegen das „Labirinto Della Masone“ bei Fontanellato in Italien. Die aus insgesamt drei Kilometer langen Wegen zusammengesetzte Labyrinth-Anlage aus Bambuspflanzen wartet im Inneren mit einem Empfangsgebäude, einem Museum und einem Restaurant auf. Von 2. bis 3. Juni werden Interessierte zudem im Rahmen des europäischen Kulturerbejahrs dazu eingeladen das Gelände sowohl von künstlerischer Seite als auch mit Blick auf die botanischen Herausforderungen kennenzulernen.
Obwohl es in den romanischen Sprachen keine Unterscheidung zwischen einem Labyrinth und einem Irrgarten gibt, wie Zickler betont, ist die Bedeutung der jeweiligen Form dennoch eine andere. Ein Irrgarten diene eher der Zerstreuung, denn einer überlegten geistigen Vertiefung ins innere Selbst. Aber wer weiß, vielleicht landet, wer lange genug umherirrt, auch irgendwann am Ziel. Im Falle des Labyrinths am Schwarzenbergplatz heißt das Ziel nach fünf Umwegen die keramische Skulptur „Nutshell“ in Ausführung von Marie Jannsen. Wer hier im Inneren verweilt, dem gelingt es vielleicht sogar, den Klängen der Komposition von Flora St. Loup lauschend, den Alltag eine kurze Zeit ein Stück weit hinter sich zu lassen.
Sharing Heritage: Labyrinths in Europe
Noch bis 3. bzw. 5. Juni 2018
Schwarzenbergplatz
1030 Wien
Öffnungszeiten: täglich von 9.00 bis 19.00 Uhr (gratis Führungen: Sonntags um 11.00 Uhr und Mittwochs um 18.00 Uhr)
Eintritt frei!
www.labyrinths-europe.wien
Europäisches Kulturerbejahr
www.kulturerbejahr2018.at/de
Labirinto della Masone
www.labirintodifrancomariaricci.it/it/labirinto/eventi/prossimi-eventi/#section4
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