Auf den ersten Blick wirkt das Foto, auf dem ein bewaffneter junger Mann vor den anwesenden Gästen einer Galerie einen Arm in die Höhe streckt, während ein anderer neben ihm am Boden liegt, wie die Aufnahme einer künstlerischen Performance. Doch es täuscht: Vielmehr handelt sich bei dem Bild um das Zeugnis eines soeben geschehenen Mordes. Ausgeführt durch einen 22jährigen Polizeibeamten, der die Ermordung des russischen Botschafters in der Türkei als Akt des Protestes gegen den Einmarsch türkischer Truppen in Syrien verstanden wissen wollte. Das Opfer jenes Attentats ist bei weitem nicht das einzige Individuum, das im Moment seines nahen Todes, beziehungsweise bereits als Leichnam, von Fotojournalisten „auf Film gebannt“ wurde. Aufnahmen von ertrunkenen Flüchtlingen, Tieren in Fallen und Opfern diverser Drogenrazzien auf den Philippinen – sie alle wurden zwecks Dokumentation von Pressefotografen rund um den Erdball abgelichtet. Es sind Bilder, die bewegen und dabei durchaus auch polarisieren können: Warum der Fotograf dem abgelichteten Jungen nicht geholfen habe, anstatt ihn zu fotografieren, fragt beispielsweise eine Schülerin im Rahmen einer Tour durch die Ausstellung beim Anblick eines weinenden Flüchtlingskindes. Das Foto solle als Dokument den Menschen zeigen was in der Welt vor sich geht und dadurch zum Denken anregen – lautet ein Teil der Antwort der Lehrerin.

Populär: Von Krieg, Gewalt und Terror

Rund 23.000 Menschen haben im vergangenen Jahr alleine in Wien die durch die unabhängige Plattform für Fotojournalismus „World Press Photo Foundation“ ausgewählten dokumentarischen Zeugnisse gesehen. 2017 touren die gleichsam ästhetisch wie erschreckenden Aufnahmen erneut durch die Welt. Noch bis 22. Oktober sind die in acht Kategorien ausgezeichneten Fotografien in der Galerie WestLicht (das Fotomuseum beherbergt die Ausstellung mittlerweile bereits zum 16. Mal) zu sehen. Obwohl sich unter den Bildern der dieses Jahr ausgewählten 45 Fotografen durchaus auch Szenen zu freudigen Ereignissen – vom Schachspiel bis hin zur Fotostrecke über ein homosexuelles Rugby-Team – ausfindig machen lassen, überwiegen auch dieses Jahr erneut Terror, Krieg und Gewalt.
Die Palette reicht vom Kampf gegen den IS in Syrien über Protestkundgebungen (eine Aufnahme von Jonathan Bachman, die eine Aktivistin zeigt, die sich im Zuge einer Demo gegen Polizeigewalt an Afroamerikanern einem gepanzerten Polizisten in den Weg stellt) bis hin zu den traurigen Zeugnissen aufgrund ihres Horns abgeschlachteter Nashörner.
Zu den wenigen positiv, bisweilen sogar amüsanten Bildstrecken zählen hingegen Aufnahmen, die die Zuchterfolge der chinesischen Regierung mit den Pandas dokumentieren. Doch trotz des freudigen Ereignisses wohnt selbst diesen Bildern etwas Unheimliches bei.

Ob in dunklen Farben oder in grellem Neon gehalten: auf einen gemeinsamen Nenner gebracht haftet den Aufnahmen allen etwas Episches an. Viele der Bilder brennen sich einem regelrecht ins Hirn. Mehr Frieden in die Welt gebracht haben sie deswegen leider bis heute nicht.

World Press Photo 2017
Noch bis 22. Oktober
Westbahnstraße 40
1070 Wien
Öffnungszeiten: täglich 11.00 bis 19.00 Uhr, Donnerstag 11.00 bis 21.00 Uhr
Eintritt: 7 Euro
www.westlicht.com

Header: © Wang Tiejun „Der Schweiß macht die Sieger“

Geschrieben von Sandra Schäfer