Voll von Gewalt, anrüchig und unanständig. Nicht selten dringen Horror- und Kriminalfilme in den Bereich unserer Urängste vor. Thematisiert werden Dinge, mit denen man sich in der Leistungsgesellschaft, in der wir leben, oftmals nicht auseinandersetzen darf und kann. Das dunkle eines Kinosaals als Ort, der von verbotenen sexuellen Obsessionen, Gewaltphantasien und gesellschaftlichen Ungeheuerlichkeiten handelt. Als ein „Angstlust-Spiegelkabinett“, in dem sich „die Entgrenzungsträume und Ängste der Post-68er-Ära“ manifestieren, schreibt Christoph Huber, Kurator der weltweit ersten groß angelegten Filmschau zum italienischen Giallo.

Anhand von 40 Filmen will das Wiener Filmmuseum noch bis 24. Oktober dem Phänomen dieser – durch intensive (gerne auch betont sexuelle) Gewaltdarstellungen gepaart mit ungewöhnlichen avantgardistischen und ästhetischen Kameraeinstellungen – Spielart des Krimis widmen. Gezeigt werden sowohl Vorläufer des Genres, das mit den Filmen von Mario Bava (unter anderen zu sehen: „La ragazza che sapeva troppo/Das Mädchen, das zu viel wusste“ und „Sei donne per l’assassino/Blutige Seide“) und Dario Argento seinen Höhepunkt erlebte, bis hin zu späteren Arbeiten – dem letzten Aufflackern dieses popkulturellen filmischen Genres, das nicht zuletzt über eine Handvoll von Spielarten verfügt.
Den unterschiedlichen Ausprägungen Tribut zollend finden sich im Spielplan die von Gewalt und Sex strotzenden Arbeiten des „Horrorsex-Königs“ Andrea Bianchis („Nude per l’assassino/Der geheimnisvolle Killer) ebenso wie die komödiantischen Varianten des Giallos – darunter beispielsweise „La donna della domenica (Die Sonntagsfrau)“ von Luigi Comencini mit Marcello Mastroianni, Jacqueline Bisset und Jean-Louis Trintignant.

Bis nach Wien

Altbekanntes wie „L’uccello dalle piume di cristallo/Das Geheimnis des schwarzen Handschuhs“ – jener Film mit der Dario Argento einst seinen Ruf begründete – läuft neben Wiederzuentdeckenden wie Giacomo Gentilomos „Cortocircuito/Kurzschluss“ – ein Vorläufer des Genres, der gemeinsam mit „Giallo“ von Mario Camerini aus dem Jahr 1933 in einem Double Feature gezeigt wird.

Ebenfalls im Doppelpack präsentiert werden „Lo strano vizio della signora Wardh/Der Killer von Wien“ Sergio Martino und „Lo strangolatore di Vienna/Der Würger kommt auf leisen Socken“ von Guido Zurli – beides Filme, die in Wien spielen – streckte der Giallo seine blutüberströmten Hände immer wieder auch in andere europäische Städte aus.
Nicht selten – man kann es sich denken – trieben die Möder auch in London ihr Unwesen. So auch in Massimo Dallamano „Cosa avete fatto a Solange?/Das Geheimnis der grünen Stecknadel“, der auf einem Roman von Edgar Wallace basiert.
Der englischsprachige Kriminalschriftsteller hatte insofern Einfluss auf den Giallo, da ab den späteren 20er-Jahren in Italien die Bücher des Autors in jenen gelben (giallo) Heften erschienen, die dem Genre später seinen Namen geben sollten.
Vorträge von Roberto Curti – Autor und Filmkritiker – und dem Experten für europäisches Genrekino Andreas Ehrenreich runden das Programm ab.

10 Jahre /slash

Zusammengestellt wurde die Schau gemeinsam mit dem „/slash“-Filmfestival, das heuer sein 10jähriges Jubiläum feiert. Von 19. bis 29. September stehen heuer 70 Filme aus dem weiten Feld des fantastischen Films auf dem Spielplan. Fans des Genres stehen dementsprechend stressige Tage bevor. Aber auch unerfahrenes Publikum kann bei der breiten Auswahl des Festivals fündig werden. Die Palette der Filme reicht vom neuesten Rob Zombie („3 From Hell“) und dem „DIY-Racheepos“ (Meir Zarchis „I Spit On Your Grave“) über guten alten Zombie-Spaß („Eat, Brains, Love“ von Rodman Flender) bis hin zu bei uns selten ins Kino kommende asiatische Produktionen. Besonders ans Herz gelegt wird den Besucherinnen und Besuchern diesbezüglich „The Gangster, the Cop, the Devil“, der heuer in Cannes für Begeisterung sorgte.
Ebenfalls die Leinwand erneut in allen Farben zum Leuchten bringen werden eine Auswahl an Animè-Filmen: von Baishe: Yuanqi „White Snake“ bis „Penguin Highway“ von Hiroyasu Ishida.

Ein besonderer Fokus gilt heuer den Regisseurinnen des Genres. In der Programmschiene „/loves – Female Terror“ erhalten Interessierte mit „The Hitch-Hiker“ von Ida Lupino Einblicke in das Schaffen von Pionierinnen aber auch Kontroversen Auslösendes wie „The Slumber Party Massacre“ von Amy Holden Jones und „Humanoids from the Deep“ stehen auf dem Spielplan. Letzterer ein Film von Barbara Peeters, die (aufgrund der vom Produzenten nachträglich eingefügten Vergewaltigungs-Szenen) erfolglos versuchte ihren Namen zurückzuziehen.

Eröffnet wir das Festival heuer von „The Lodge“ – der erste englischsprachige Film des österreichischen Regie-Duos Veronika Franz und Severin Fiala.

Giallo. Italiens Thriller-Moderne
30. August bis 24. Oktober 2019
Österreichisches Filmmuseum
Augustinerstraße 1 (im Gebäude der Albertina)
1010 Wien
www.filmmuseum.at

/slash – Festival des fantastischen Films
19. bis 29. September 2017
Filmcasino Wien
Margaretenstraße 78, 1050 Wien
Gartenbaukino
Parkring 12, 1010 Wien
www.slashfilmfestival.com

Geschrieben von Sandra Schäfer