Mal leidet er an Panikattacken, ein andermal laboriert er an Alkoholsucht und regelmäßig verfällt er in religiösen Erlösungswahn. Hagnot Elischka ist jedoch keineswegs krank – der österreichische Schauspieler arbeitet seit 20 Jahren als einer von mehreren „Standardisierten Patienten“ an der medizinischen Uni Wien, bei dem Schauspieler im Zuge der Ausbildung für die Studenten als Doppelgänger von echten Kranken fungieren. Ein ungewöhnlicher Job, der den Theatermacher letztendlich wieder auf die Bühne zurückführte. In dem Stück „Psychiatrie“ (2010 für den Nestroy-Spezialpreis nominiert) geben er und Schauspielkollegin Gabriela Hütter dem Publikum regelmäßig Einblicke in die Welt von psychisch Kranken und den Studenten, die sie befragen. Aufgrund des großen Erfolgs folgten die Stücke „Trauma“ und „vernichten . . .“. Letzteres ist von 20. bis 23. September erneut im Kosmos Theater zu sehen.

„Was passiert vor der Tat?“

Langsam gleitet die Kamera über diverse Spitzenhäkeldecken – doch statt wohliger Familienatmosphäre liegt ein Hauch von Unheil in der Luft. Immer tiefer begeben sich die Schauspieler mit ihrer dokumentarischen Theaterperformance mitten hinein in die Hirnwindungen von Amoktätern.

Es gilt zu erkunden: was passiert vor der Tat? Eine Frage, die im Laufe des 90minütigen Abends allerdings nur bedingt beantwortet werden kann. Zu schmerzhaft scheint das Thema, zu komplex die Auseinandersetzung der Gesellschaft mit den Tätern. Schuld sei vor allem die Erziehung gaben 80 Prozent der befragten Amerikaner in einer Umfrage zum Columbine-Attentat an. Ist das jedoch wirklich so? Es bleibt zu bezweifeln. Denn auch wenn Hagnot Elischka im weißen Professorenkittel im Zuge der Performance Studien über die Entwicklung des menschlichen Gehirns in Kindertagen zum Besten gibt – eine Antwort erhält man als ZuseherIn – und vermutlich auch als ExpertIn – nicht.

Dass die Arbeit an der Performance kein klares Ergebnis zu Tage förderte, erklärt auch Gabriela Hütter am Ende des Stückes. Gelernt hat man als ZuschauerIn aber immerhin einiges. Zum Beispiel, dass Amokläufer Menschen zu sein scheinen wie du und ich. Sie entpuppen sich als rege Briefschreiber mit guter Fähigkeit zur Kommunikation (die Columbine-Attentäter Eric Harris und Dylan Klebold), sind Lehrer und Familienväter und auf den ersten Blick gut in die Gesellschaft integriert (Ernst August Wagner) oder geschätzte Arbeitskräfte, die selten widersprechen (Die Schwester Papin). Was im Inneren der späteren Täter vorgeht und wie es soweit kommen konnte, bleibt jedoch Spekulation.

Ebenfalls mit dem Thema beschäftigt sich Julie Zeh in ihrem Stück „Good Morning, Boys and Girls“. Theaterleiterin Barbara Klein inszeniert das Drama rund um einen jugendlichen Amokläufer als österreichische Erstaufführung im Kosmos Theater. Zu sehen ab 11. Oktober.

vernichten . . .
Eine Theaterperformance über die Fähigkeit und die Kräfte des Menschen und die Verrichtungen des Gehirns III
Mit: Hagnot Elischka, Gabriela Hütter, Katrin Kröncke
20. bis 23.September 2017, 20.00 Uhr
Kosmos Theater
Siebensterngasse 42
1070 Wien
Kartenbestellung: einmaligesgastspiel@gmx.net

Wieder im Spielplan 2017: PSYCHIATRIE !
Eine Theaterperformance über die Fähigkeit und die Kräfte des Menschen und die 
Verrichtungen des Gehirns
15. und 16. November 2017, 19:30 Uhr
WERK X, Oswaldgasse35a
1120 Wien
http://www.einmaligesgastspiel.at

Geschrieben von Sandra Schäfer