Reisen, forschen, sammeln. Unter dieses Motto hat das im Oktober vergangenen Jahres wiedereröffnete Weltmuseum Wien (früher Völkerkundemuseum) die oftmals auf abenteuerlichen wie ebenso verschlungenen Wegen erfolgte Erforschung der Lebensumstände, der Riten und Bräuche der vielen Völker unseres Planeten gestellt. In Jahrzehnten – auf nicht selten hinterfragenswürdige Weise – zusammengetragen präsentieren die ausgestellten Objekte die Entwicklung der unterschiedlichsten Kulturen auf den fünf besiedelten Kontinenten der Erde.

Dem Museumsbesucher bietet sich die Möglichkeit eine Reise um den Globus gewissermaßen im Zeitraffertempo zu unternehmen. Fremde Völker und deren Lebensbräuche nicht nur aus zweiter, sondern infolge der zahlreichen Originalobjekte (insgesamt umfasst die Sammlung 250.000 ethnographische Objekte, über 140.000 Photographien und 146.000 Druckwerke) aus erster Hand hautnah in Augenschein zu nehmen. Artefakte unterschiedlichster Ausformungen, plastische Figuren für rituelle Handlungen sowie Gebrauchsgegenstände, aber auch martialische Waffen vermitteln einen Einblick in für uns noch immer großteils unbekannte Welten.

Auch Habsburger unter den Forschungsreisenden

Waren und sind es nicht zuletzt diese großen Unbekannten, die zahllose Forscher und Entdeckungsreisende dazu getrieben haben sich unter oft unwirtlichen Bedingungen fernen Ländern und Kulturen zuzuwenden. Nicht selten war auch die Gier nach Reichtum, nach sagenhaften Schätzen die Triebfeder. Nicht wenige bezahlten dafür mit ihrem Leben. Unter jenen auch der berühmte englische Seefahrer und Entdecker James Cook, mit dessen Sammlung die Geschichte des Museums 1806 als „k. k. Ethnographische Sammlung“ ihren Anfang nahm. Ein einzigartiges Modell eines hawaiianischen Zeremonialhauses in Form eines Federtempels zeugt im Weltmuseum von der dritten Weltumsegelung des britischen Seefahrers, der auf Hawaii nach einem Streit mit Eingeborenen sein Leben lassen musste.

Mittendrin im Wettlauf der Forschungsreisenden im 19. Jahrhundert haben sich auch Bürger bzw. Adelige des Hauses Habsburg der k. und k. Monarchie eifrig als Sammler betätigt. Das Museum profitiert noch heute noch von den Reisen von Thronfolger Erzherzog Franz Ferdinand als auch des ebenso auf tragische Weise ums Leben gekommenen Kronprinzen Rudolf. 1894 begab sich Franz Ferdinand auf dem Kreuzer Kaiserin Elisabeth auf eine 10-monatige Weltreise, die ihn bis nach Australien, Indien, China und in die Vereinigten Staaten führte. Seine Sammlung ist unter dem Titel „Franz is here!“ zu bestaunen.

Ein weiterer engagierter Sammler seiner Zeit war der Zoologe Johann Natterer. Der österreichische Brasilienforscher war zu Beginn des 19. Jahrhunderts im Land des Amazonas unterwegs und versorgte u.a. das Naturhistorische Museum Wien mit 50.000 (!) Tierobjekten. Unter den zahlreichen Stücken, die Natterer nach Wien schickte befand sich auch eine stattliche Anzahl an ethnografischen Gegenständen. Eines der ungewöhnlichsten Stücke stellt vermutlich ein Trophäenkopf dar. Der mumifizierte und kulturell geschmückte menschliche Schädel – dessen Präsentation zur Eröffnung der Neupräsentation des Museums Kritik und in Folge einiges an Medienrummel zuteil wurde – wurde um 1830 von Natterer gemeinsam mit einem Federschmuck-Ensemble eines Munduruku Kriegers erworben und liefert auch heute noch Zeugnis von der Praxis der Krieger ihre Feinde zu enthaupten und die Köpfe zum Teil eines festlichen Ritus zu machen.
Vor allem mit dem Volk der Bororo bot sich Natterer während seines 18-jährigen Aufenthalts Gelegenheit zum Erfahrungsaustausch. Er gilt zu einer Zeit als die Ethnografie als Wissenschaft noch nicht geboren war als erster Weißer, der Wortlisten über ihre Sprache führte. Von ethnologischen Forschungen im heutigen Sinne war der Zoologe allerdings noch meilenweit entfernt. So dienten früher Ethnographische Museen eher als „Gebrauchsanleitung für exotische Völker“ und bereitete Kolonialbeamte, Reisende und Handelstreibende auf den Kontakt mit Völkern vor. Erfolgte die Betrachtung stets unter kolonialistischen Gesichtspunkten, so ist man heute verstärkt um Dialog mit den Völkern bemüht. Nicht zu unterschätzen: Die Brasiliensammlung des Weltmuseums zählt zu den bedeutendsten Sammlungen von Gegenständen zur brasilianischen Kultur indigener Völker und Neobrasilianer des 19. Jahrhunderts.

Ebenfalls aus dem 19. Jahrhundert stammen eine Vielzahl Objekte afrikanischer Kulturen. Für das Museum erworben wurden sie von Bürgern der k. und k. Monarchie, die in unterschiedlichsten Missionen nach Afrika reisten oder im Dienste von Personen oder Institutionen der Kolonialmächte standen. Die Bronzen und Elfenbeinarbeiten aus dem Königreich Benin aus dem 16. Jahrhundert zählen gemeinsam mit einem kostbaren Kopfschmuck aus Quetzal-Federn und mehr als tausend Goldplättchen der Azteken zu den Highlights der Sammlung.

Lohnender Besuch auch in der Rüstungskammer

Nicht zuletzt aufgrund der Sammlungsvielfalt und solch kostbarer Stücke lohnt ein Besuch des Weltmuseums. Zudem ist neben der Sammlung aus aller Herren Länder, auch das innere bauliche Ambiente dieses Teiles der Hofburg eine Augenweide. Der Umbau bzw. die Renovierung sind ausgezeichnet gelungen. Der Besucher fühlt sich in dem geschichtsträchtigen Haus durchaus wohl. Nicht zuletzt bietet das Museum Monat für Monat eine Vielzahl von speziellen Veranstaltungen, die einmal mehr unterstreichen, dass die Beschäftigung mit Kulturen anderer Völker alles andere als trocken oder gar langweilig ist und ein modernes Museum zudem als Ort der Begegnung fungiert.

Für Stärkung nach hitzigen Diskussionen und langen „Besichtigungsreisen“ ist gesorgt: Und auch wer in der Nähe ist und Durst und Hunger verspürt, dem wird in Form des netten, wenn auch etwas spartanisch designten Cafe-Bistros Cook, eine Lösung für sein Verlangen offeriert.
Gestärkt mit Tabouleh Cous-Cous mit Minze und/oder der einen oder anderen Würstel-Variation können unermüdliche weiter in die Welt des Ritterstandes des Spätmittelalters bzw. der beginnenden Neuzeit ziehen. Die imposante Sammlung der Rüstungskammer vermittelt einen Überblick über Harnische ( Harnisch: die den Körper bedeckende Rüstung eines Ritters), die nach der umfassenden Anwendung des Schießpulvers – ihre Aufgabe als Schutzbekleidung gegen scharfe Schwerter, Lanzen und Pfeile großteils verloren hatten. Dennoch gehörte es noch am Beginn der Neuzeit für den Adel gewissermaßen zum guten Ton, sich eine möglichst prachtvolle Rüstung zuzulegen, um sich als Mitglied des gehobenen Standes zu präsentieren.

Bedauerlicherweise hat derzeit das ebenfalls dem baulichen Komplex des Weltmuseums 
zugeordnete Ephesos-Museum wegen umfassender Renovierungsarbeiten seine Pforten geschlossen. 
Die Wiedereröffnung ist für November der heurigen Jahres geplant.

Weltmuseum Wien
Heldenplatz
1010 Wien
Tel.: +43 1 534 30-5052/-5053
Öffnungszeiten: Täglich, außer Mittwoch, 10 bis 18 Uhr, Freitag bis 21 Uhr
www.weltmuseumwien.at

© Fotos: KHM-Museumsverband

Geschrieben von Stefan Weinbeisser