Die Wahlschlappe der Grünen, ein Engländer betroffen vom Brexit mit Durchfall und die Anzeige gegen ein Maskottchen wegen Verhüllungsverbots: In ihrem aktuellen Programm „Fake off“ verhandelt das Duo einmal mehr auf humorvolle Weise politische und tagesaktuelle Inhalte mit den Mitteln des Improvisationstheaters.

Die Kulturfüchsin traf die Impro-Kabarettistinnen zum Gespräch. Ein Interview über Frauen auf der Bühne, Humor als Ventilfunktion und warum es Kabarett im luftleeren Raum nicht geben kann.

Frau Zieher, Frau Leeb, sie machen seit 2007 gemeinsam „Impro-Kabarett“ – ein Unterhaltungsformat, das in Österreich kaum bekannt sein dürfte. Wie kam es dazu?

Leeb: Wir haben uns 2003 bei der Gruppe „Impro X“ kennengelernt und gemerkt, dass wir gerne miteinander spielen und mehr zusammen machen wollen.

Zieher: Auf die Idee, Impro-Theater in den Kabarettbereich hineinzubringen, sind wir mit unserem damaligen Coach Jim Libby gekommen. So etwas gab es hier noch nicht. Das Improvisationstheater führt in Österreich generell ein stiefmütterliches Dasein. Nicht zuletzt deshalb haben wir am Anfang viel bei klassischen Kabarettwettbewerben mitgemacht. Das war für uns eine gute Gelegenheit um auf gewisse Bühnen zu kommen. Dass wir improvisieren, haben wir zu Beginn gar nicht dazu gesagt. Viele Leute haben sich gewundert, warum die Abende immer so unterschiedlich verlaufen. Erst später haben wir das Improvisatorische unseres Programms stärker betont.

Leeb: Viele Zuschauer glauben jedoch nach wie vor, dass wir klassisches Stand-up machen, aber Stand-up ist vorbereitet. Das sind geschriebene Nummern, die wohl manchmal variabel zusammengestellt werden. Bei uns entwickelt sich das Programm wirklich spontan auf der Bühne aus den Vorgaben des Publikums.

In ihrem aktuellen Programm „Fake off“ arbeiten Sie mit Schlagzeilen, die das Publikum von seinen Handys abliest und Ihnen zuruft. Inwieweit hat man die Möglichkeit diese Vorgaben in eine bestimmte Richtung zu lenken ohne die Leute zu enttäuschen? Haben Sie mittlerweile ein Gespür dafür entwickelt, welche Schlagzeilen kommen könnten und bereiten Sie sich dementsprechend darauf vor?

Zieher: Auch wenn man viel Zeitung liest, kann man niemals alle Themen erfassen. Bei der letzten Show gab es einige politische, aber auch viele Chronik-Themen. Vieles davon hat man zuvor noch nie gehört. Darauf kann man sich eigentlich nicht vorbereiten. Was uns mittlerweile allerdings aufgefallen ist, ist dass die Leute diese großen Themen wie zum Beispiel bei der letzten Wahl die Affäre Silberstein dann gar nicht mögen.

Leeb: … weil alle schon genug davon haben. Manchmal merkt man richtig wie ein Fragezeichen im Kopf der Leute aufgeht. Man sieht das große Thema. Aber sie schieben es weg und suchen sich lieber eine Fußnote. Dass etwas Unpassendes herausgerufen wird, passiert zum Glück selten. Zudem kann man, wenn man improgeschult ist, durch Nachfragen die Vorgabe ausweiten.

Das Publikum hat Sie die ganze Show über im Blick. Das heißt, Sie können sich auch währenddessen nicht heimlich absprechen. Wie stimmt man sich da aufeinander ab, wie entwickelt man so schnell eine Story?

Zieher: Was wir vor allem trainieren, ist zuhören und schauen, was die Partnerin auf der Bühne macht. Das grundlegende Prinzip des Improtheaters lautet Akzeptieren.

Leeb: Am Ende des Tages geht es eigentlich immer nur um Vertrauen in die Partnerin, in das Team. Wenn sich Anita beispielsweise als Flughafenmitarbeiter ausstattet und mich als Kollegen, dann nehme ich diese Rolle an und vertraue darauf, dass sich daraus etwas entwickeln wird, auch wenn ich beispielsweise als unsympathischer Idiot dargestellt werde.

Wie sind Sie auf das Thema der Fake News gekommen? Und geht es Ihnen auch darum die Leute zum Denken anregen zu wollen?

Leeb: Das Programm ist aus einer gemeinsamen Idee mit dem TAG heraus entstanden. Wir wollten ein Format finden, das das ganze Jahr über laufen kann, das themenunabhängig ist, aber trotzdem am Puls der Zeit.

Zieher: Wir zeigen wie schnell man Nachrichten erfinden kann, wie schnell man rufschädigend sein kann. Was wir heute erleben, dass so getan wird, als sei jede Privatmeinung schon eine Nachricht und sie nur, weil ich es so empfinde auch schon eine Wahrheit ist, ist eigentlich Wahnsinn. Ich glaube zwar nicht, dass die Leute nach unserer Show nachhause gehen und sagen, ab jetzt lese ich die Zeitung kritischer. Aber vielleicht denken manche darüber nach, was an der einen oder anderen Geschichte wirklich dran ist.

Ist Politik und Gesellschaftskritik etwas, dass gutes Kabarett für Sie haben muss?

Zieher: Comedy muss nicht immer politisch sein. Aber ich merke, wenn ich mir Shows anschaue, in denen es nur um persönliche Befindlichkeit geht, dass ich mich schnell langweile. Obwohl persönliche Befindlichkeit wie es zum Beispiel Josef Hader mit seinem Privat-Programm damals gemacht hat, in gesamtgesellschaftliche Themen eingebettet sein kann. Man könnte auch sagen, in gewisser Weise ist alles, was ich auf der Bühne zum Thema mache, politisch. Da sind wir bei der Rosa Luxemburg, die sagte: „Unpolitisch sein heißt politisch sein, ohne es zu merken.“

Leeb: Kabarett im luftleeren Raum gibt es nicht. Die Gewichtung ist bloß unterschiedlich.

Gesellschaftskritik und Humor sind quasi ein altes, vertrautes Paar Schuhe. Welchen Stellenwert hat Humor in der heutigen Zeit? Gibt es Zeiten, in denen es besonders wichtig ist die Leute zum Lachen bringen?

Zieher: Es ist natürlich wichtig sich lustig zu machen über Diktatoren und andere Machthaber. Humor ist ein Gegengewicht, ein Machtinstrument. Gerade in Zeiten, die anstrengend sind, hat Humor eine wichtige Ventilfunktion. Bei uns haben aber mittlerweile alle bereits ihr Fett abgekriegt, wir selbst, die Frauen, die Männer.

Leeb: Leider ist es als Frau immer noch so – und ich wünschte ich müsste das an dieser Stelle nicht erwähnen – dass sie einen anderen Stand auf der Bühne haben als Männer. Das hat etwas mit Macht zu tun. Ich ermächtige mich, mich über etwas lustig zu machen. Softthemen wie Kinder, Mutter sein, Cellulite sind okay, das wird Frauen zugestanden, aber alles was dann über das hinausgeht, wird kritischer gesehen. Nicht nur von Männern, auch von Frauen. Dabei geht es auch viel um Körperlichkeit: Ob man das jetzt sagen, sich so präsentieren, so dreinschauen soll. Ich habe schon öfter als Rückmeldung bekommen, ob ich mir keine Gedanken mache, wie ich auf der Bühne aussehe. Desto wichtiger finde ich es, dass man die Dinge mit Humor auflöst.

Wie hat sich die Situation in den letzten Jahren für Frauen auf der Kabarettbühne entwickelt? Sehen Sie trotz allem einen Fortschritt in punkto Gleichberechtigung?

Leeb: Es gibt sicherlich mehr Frauen als früher, die Stand-up Comedy machen. Aber auch in der Poetry Slam Szene oder in der Kabarettszene verändert sich einiges. Trotz allem haben wir auch heute noch ein großes Altherren-Kabarett. Wenn man sich beispielsweise anschaut, wer bei den Mixed Shows  eingeladen wird, dann sind das alles Männer und vielleicht eine Quotenfrau, die kurz einmal reinschneien darf. Aber ich glaube, auch das ist langsam im Wandel begriffen. Heute gibt es viele rotzfreche Frauen, die sich kein Blatt vor den Mund nehmen und die auch auf intellektueller Ebene etwas zu sagen haben.

Zieher: Ich würde mir auch in Österreich wünschen, dass es wie in den USA und in Deutschland mehr Comedy-Sendungen gibt, wo Frauen einen wichtigen Part spielen. Zudem, je mehr Frauen in der Öffentlichkeit präsent sind, umso mehr müssten Sie nicht immer so extrem gut sein, um Erfolg haben zu können. Das ist in allen Bereichen so, ob im Journalismus oder in der Politik. Es wäre schön, wenn es genauso viele mittelmäßige Frauen geben dürfte, wie es mittelmäßige Männer und Kabarettisten gibt. Leider existieren auch heute noch diese alten Mechanismen, bei denen viele sagen: gehen wir lieber auf Nummer sicher, nehmen wir einen Mann. Die großen Agenturen sind nach wie vor in Männerhand. Unsere Agentin Julia Sobieszek ist eine der wenigen Frauen, die erfolgreich unterwegs ist.

Frau Zieher, Sie beschäftigen sich seit Jahren im „Portraittheater“ mit historischen Frauenpersönlichkeiten – ein Beitrag zur female history? Und inwieweit wollen Sie ihre Arbeit als feministisch verstanden wissen, alleine schon dass sie Frauenschicksale ansprechen oder als Frauen auf der Bühne stehen?

Zieher: Ich sehe meine Arbeit sehr wohl als feministischen Beitrag. Als Brigitte Pointner, die Mitgründerin des Portraittheaters, und ich vor zwölf Jahren mit einem Stück zu Hannah Arendt angefangen haben, war die Resonanz sofort gut. Viele der Zuseherinnen und Zuseher sind durch die Stücke neugierig auf die dargestellten Frauen geworden. Gleichzeitig stellt die Auseinandersetzung mit diesen historischen Persönlichkeiten für viele auch eine Ermutigung dar. Aktuell arbeite ich mit der Regisseurin Sandra Schüddekopf an einem Text über Käthe Leichter und Marie Jahoda und wir merken erneut, wie aktuell viele der Themen von damals heute noch sind: Arbeitsbedingungen von Frauen, Antisemitismus, Mechanismen wie mit Arbeitslosigkeit umgegangen wird und vieles mehr. Auch heute brauchen wir eine stärkere Sichtbarkeit von Frauen. Feminismus wird gerne als Killerphrase oder als Keule verwendet, um Frauen mundtot zu machen. Es geht im Feminismus um das Herstellen von Gleichgewicht. So wie es in der Gesellschaft generell darum gehen sollte, dass wir gleiche Rahmenbedingungen, gleiche Chancen herstellen und nicht sagen, jeder nur für sich selber und die anderen haben Pech gehabt.

Leeb: Gerade als Lehrerin und Mutter eines Sohnes stoße ich immer wieder an diese Grenze, wo ich nicht mehr plausibel erklären kann, warum Frauen bestimmte Felder im öffentlichen Leben noch immer nicht selbstständig einnehmen können. Wenn wir es geschafft haben, dass es in unserer Gesellschaft gleich ist, ob ich eine Tätigkeit als Mann oder Frau ausübe, dann können wir das Wort Feminismus aus unserem Vokabular streichen. Aber so lange das nicht der Fall ist, werde ich mich als Feministin bezeichnen.

Gerade der Feminismus steht mit dem Klischee der verbitterten Emanze immer wieder im Verdacht humorbefreit zu sein. Im Kosmos Theater setzt man mit dem Clowninnenfestival seit Jahren auch auf humoristische Programme. Finden Sie, dass Feminismus mehr Humor braucht beziehungsweise herrscht in der Öffentlichkeit ein Aufklärungsbedarf, dass auch Feministinnen lustig sein können? Hört der Humor für Sie irgendwo auf?

Zieher: Dieses Vorurteil, dass Frauen nicht lustig sein können, abzubauen, halte ich für sehr wichtig. Gerade im Clownbereich gibt es großartige Frauen. Wenn ich so wie mit Ihnen jetzt oder in einer Verhandlung beispielsweise über ungleiche Bezahlung rede, wird Humor eher fehl am Platz sein. Auf der Kabarettbühne kann ich das Thema natürlich lustig bringen. Wir verhandeln Themen in unseren Programmen auch aus einer feministischen Perspektive, ich würde aber nicht sagen, wir machen feministisches Kabarett.

Leeb: Da würde sich der Publikumszustrom vermutlich in Grenzen halten.

Apropos Publikumszustrom: Es gibt nach wie vor einen großen Unterschied zwischen Theater- und Kabarettpublikum. Wäre eine verstärkte Vernetzung wünschenswert, so dass beide Formen davon profitieren könnten?

Zieher: Das ist mit ein Grund, warum wir diese Kooperation mit dem TAG machen, weil das eine gute Möglichkeit ist, Theater- und Kabarettpublikum verstärkt zusammenzubringen. Das Kabarett hat ein bisschen das Problem, die Jungen nicht mehr so begeistern zu können. Während beim Impro-Theater, wie bei „Sport vor Ort“ im TAG, extrem viele junge Leute sitzen.

Leeb: Kabarett ist zum Teil sehr teuer geworden. Wenn man sich eine große Kabarett-Show im Globe oder im Stadtsaal ansehen will, gibt man viel Geld aus. Vor allem wenn man einen großen Namen sehen will, muss man tief in die Tasche greifen. Was eine eher ältere Publikumsschicht anspricht. Was noch dazu kommt, heute kann man sich viel Comedy im Internet anschauen. Viele Junge gehen eher auf Netflix und streamen amerikanische Comedians und nicht um was weiß ich wie viel Euro ins Kabarett.

Vielen Dank für das Gespräch!
Danke auch.

Zur Person:
Magda Leeb ist in Wien geboren und aufgewachsen. Sie ist seit 2000 im 
Improvisationstheater zu Hause - derzeit im TAG als Ensemblemitglied der Impro-Allstars sowie 
im Impro-Krimi-Team im Theater Drachengasse. Fernsehauftritte in den ORF-Produktionen 
„Was gibt es Neues?“, "Frischlinge" und "Schlawiner". Seit 2007 im Duo "ZieherundLeeb" mit 
Anita Zieher. Gewinn des Freistätter Frischlings und des 1. Preises für Innovatives 
Improvisationstheater des Theaters TAG. Außerdem unzählige Teilnahmen an Improtheater-Festivals 
im In- und Ausland. 2016 Gewinnerin "Goldener Improstern" - dem Oscar der Improtheaterszene. 
Seit 2017 ist sie mit ihrem Soloprogramm „ÜberLEEBen“ erfolgreich unterwegs.
www.magdaleeb.com
Anita Zieher ist in Oberösterreich aufgewachsen. Sie studierte 
Politikwissenschaft und Publizistik in Salzburg. Anschließend machte sie den 
Diplomabschluss in Schauspiel in Wien sowie verschiedene Schauspieltrainings. Als Schauspielerin 
sowohl auf der Bühne als auch in Film und Fernsehen aktiv. 2006 Gründung des Portraittheaters, 
Obfrau und Produktionsleiterin des Vereins, bei dem sie mit Stücken über historische 
Frauenpersönlichkeiten zahlreiche Gastspiele in Österreich und im Ausland hat. Seit 2003 
spielt sie regelmäßig Improtheater, ist u. a. Ensemblemitglied der Impro-Allstars im TAG sowie 
im Impro-Krimi-Team im Theater Drachengasse, seit 2007 im Duo "ZieherundLeeb" mit Magda Leeb.
www.anitazieher.at

Programme:

FAKE OFF
Die Aufdecker-Show von Zieher & Leeb in Kooperation mit dem TAG
Die nächsten Termine:
Do 14. Dezember 2017, 20 Uhr
So 11. Februar 2018, 19 Uhr
So 11. März 2018, 19 Uhr
Do 5. April 2018, 20 Uhr
TAG – Theater an der Gumpendorfer Straße
Gumpendorfer Straße 67
1060 Wien
www.dastag.at

überLEEBen
Magda Leeb
22. Jänner 2018, 20.00 Uhr
Kulisse
Rosensteingasse 39

1170 Wien
www.kulisse.at

Portraittheater
Arbeit, lebensnah – Käthe Leichter und Marie Jahoda
Premiere: 16. Jänner 2018 im AK OÖ, Linz
Wien Premiere: 13. Februar 2018, 19.30 Uhr im Theater Akzent
19. bis 23. Februar 2018 Theater Drachengasse
www.portraittheater.net

Geschrieben von Sandra Schäfer