Es soll schon Leute gegeben haben, die Beethovens taub geworden sind – „noch schlimmer, sie hatten Angst“, heißt es in Èric-Emmanuel Schmitts Stück „Kiki van Beethoven“. Doch wer ist diese Kiki, die den Namen dieses unumstrittenen Genies der Musikgeschichte trägt? Eine weitere historische Frauengestalt, die aus dem Dunkeln der Geschichte in die Gegenwart geholt wurde oder eine entfernte noch lebende Verwandte? Die Antwort lautet weder noch. Kiki van Beethoven ist eine Kunstfigur, ein Mensch wie du und ich, wohnhaft im von ihr als unpassend betitelt empfundenen Seniorenheim „Zum Fliederbusch“. Auch wenn Bezeichnungen wie dürrer Ast oder trockener Baumstumpf ihr als besser passend erscheinen mag, die über die Jahre zynisch gewordene Pensionistin wirkt immer noch agil. Glücklich mit ihrer „Beethoven-Situation“ ist jedoch auch sie nicht: Als die rüstige Dame bei einem Ausflug auf dem Flohmarkt eine Maske des Komponisten entdeckt, muss sie erschrocken feststellen, dass diese für sie schweigt. Und auch ihren Freundinnen ist die Fähigkeit Beethovens Musik zu imaginieren über die Jahre abhandengekommen.
Gespielt werden Candie, Zoé und Rachel allesamt (und noch weitere vier Figuren) von Schauspielerin, Kabarettistin und Drehbuchautorin Andrea B. Schramek. Bereits nach wenigen Worten hängt man als Zuschauer*in an ihren Lippen und wird von Satz zu Satz des aus der Feder des französischen Erfolgsautors (unter anderem „Monsieur Ibrahim und die Blumen des Koran“) stammenden Textes durch die Handlung getragen. Das mal poetisch, mal humorvolle Töne anschlagende Stück stimmt nachdenklich, regt zum Schmunzeln an und bewegt, vor allem gepaart mit dem feinfühligen Spiel von Schramek, gegen Schluss zutiefst. Denn wie alle Menschen wurde Kiki vom Leben gezeichnet. Es ist der Selbstmord ihres Sohnes, den sie sichtlich nicht überwunden hat, der sie behindert. Wer die Konfrontation mit der Vergangenheit meidet, wer sie verdrängt, ist gelähmt, lautet eine Aussage des Abends. Doch wie sich dem Erlebten und der eigenen Familiengeschichte stellen, wenn der Schmerz dazu zu groß ist? Wie schafft man es sich den dem Leben innewohnenden Zauber wieder zurückzuholen? Zumindest für Kiki liegt ein Teil der Antwort in der Musik Beethovens. Der Wunsch zu verstehen, warum diese verstummt ist und der Wille sie wieder zu fühlen, treibt sie voran – unter anderem in die Richtung eines jungen Hip Hoppers. Die Idee der fernen Liebe erweist sich hingegen für eine andere der Frauen als heilsam. Und manch eine ist schon froh nach einer Wanderung zwei Kilo verloren zu haben. Wir alle haben eben unsere Probleme – urteilen sollte man trotzdem nicht, man weiß eben oft nicht, was dahintersteckt. Zu erleben ist die gelungene Inszenierung im „Spektakel“, das dieses Jahr sein 40. Jubiläum feiert. Unbedingt hingehen und anschauen!
Kiki van Berthoven
mit Andrea B. Schramek
Termine: 5. und 6. Dezember 2023
SPEKTAKEL, Hamburgerstraße 14, 1050 Wien
www.spektakel.wien
Titelbild: Andrea Schramek in Kiki van Beethoven © Peter Wohlfahrt
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