Ameisen gleich strömen die Menschen in die Fabrik. Riesige Gebäude und Maschinen scheinen den Arbeitern ihren Lebenssaft auszusaugen. Fritz Langs 1927 uraufgeführter monumentaler Science-Fiction-Klassiker „Metropolis“ zeigt eine Welt, in der ein Großteil der Gesellschaft sein Leben am Fließband verbringt. Und auch in Charlie Chaplins „Modern Times“ gerät Charlie wenige Jahre später als Fabrikarbeiter in die Fänge einer riesigen Maschine. Zumindest letzterer Film dürfte einst auch im Sandleiten Kino über die Leinwand geflimmert sein. Das für 600 Leute konzipierte Lichtspielhaus wurde in den Jahren 1925 bis 1928 als Teil der damals größten kommunalen Wohnanlage Wiens errichtet. Mit über 1.500 Wohnungen galt und gilt der Gemeindebau als Aushängeschild des „Roten Wien“. Das Ziel: leistbares Wohnen „in Licht, Luft und Sonne“ mit hohem Qualitätsstandard auch für jene, die ihren Lebensunterhalt als Arbeiter im Billiglohnsektor verdienen mussten.

Rund 90 Jahre später haben sich die Zeiten für viele der einst Benachteiligten zwar geändert. Dennoch – während manche der ehemals benachteiligten Berufsgruppen mit ihrem Einkommen einen sicheren Lebensunterhalt bestreiten können, arbeiten andere für ein Existenzlimit auf der Basis tagtäglicher Selbstausbeutung. Nicht nur im Niedriglohnsektor, sondern vor allem im Kunst- und Kulturbereich sind prekäre Arbeitsverhältnisse auch heute keine Seltenheit.
Betrachtet man die Geschichte des Ortes und die finanziellen Verhältnisse, in denen Kunst auch heute noch oftmals entsteht, erscheint die Wahl in den ehemaligen Kinoräumlichkeiten des Gemeindebaus eine Ausstellung zum Thema Arbeit zu realisieren gleich doppelt passend. Ins Leben gerufen wurde die kleine Präsentation von der Initiative „Soho in Ottakring“. Seit 1999 verhandelt das Kunstprojekt unter anderem Fragen nach Teilnahme und Mitsprache im öffentlichen Leben.

Arbeit vom Putzen bis zum Lehren

Für die Ausstellung wählten die drei Kuratoren Marie-Christine Hartig, Hansel Sato und Ula Schneider fünf künstlerische Positionen, die die „Praktiken der Anerkennung in der Arbeitswelt“ untersuchen. Darunter „Teaching While … An Invitation“ von Belinda Kazeem-Kamińsk, die sich in ihren Fotografien und Tonaufnahmen den Fragen nach schulischen und universitären Strukturen für schwarze Lehrende widmet, sowie „Waste“ von Wolfgang Krammer – ein Bild- und Textzyklus zum Gegenstand Wegwerfprodukt. Verhandelt wird das Thema von Krammer am Beispiel der Möbelproduktion. Unter schwersten prekären Arbeitsverhältnissen – vom Fällen der Bäume bis hin zum Transport – entstanden, landen viele der Produkte alsbald auf dem Müll.

Wenig Beachtung erfahren laut dem Künstlerteam „honey & bunny“ (Sonja Stummerer und Martin Hablesreiter) auch jene Berufsgruppen, die rund um das Putzen angesiedelt sind. Für ein Buchprojekt begaben sich die Künstler in Abendrobe unter anderem in das Innere eines Müllautos um für eine Aufwertung der Berufsgruppe zu plädieren. Um die Produktion von Kunst beziehungsweise um den materiellen und immateriellen Wert von Kunstwerken dreht sich hingegen die Filminstallation von Iv Toshain und Anna Ceeh. In einer Happening-Aktion verbrannte das Duo jene Arbeiten, die in den letzten fünf Jahren gemeinsam entstanden. Gleichzeitig der Grundstein eines neuen Werkes, das elektronisch gespeichert rund um den Erdball verschickt werden kann. Darüber, wer die Lagerräume zahlt, werde so gut wie nie gesprochen, so Ceeh. Was mit den anderen gezeigten Werken nach der Ausstellung geschieht, erfährt man als Besucher nicht. Als gesichert gilt, sie laden noch bis Mitte November im Gemeindebau Sandleiten dazu ein, sich mit dem Thema Wert und soziale Achtung von Arbeit auseinanderzusetzen.

Soho in Ottakring
Die Arbeit ist noch nicht zu Ende
Eine Ausstellung zu Praktiken der Anerkennung in der Arbeitswelt
Noch bis 12. November 2017
Altes Kino im Sandleitenhof
Liebknechtgasse 32
1160 Wien
Öffnungszeiten: Mittwoch bis Samstag 16.00 bis 20.00 Uhr, Sonntag 14.00 bis 17.00 Uhr
Eintritt frei!
www.sohoinottakring.at

Titelbild: © Paul Sturm, Grafische Bearbeitung: Caterina Krüger

Geschrieben von Sandra Schäfer