„Schleichts eich“, „Endlich san mia eich los“ – mit diesen und ähnlichen Hassrufen bedachte die Wiener Bevölkerung einst jene Menschen, die in Lastwägen zusammengepfercht zum damaligen Aspangbahnhof im Bezirk Landstraße transportiert wurden. Von hier – einem der stark frequentierten Bahnhöfe im damaligen Wien – ging es mit Zügen oft tagelang ohne Nahrung und Wasser in die Vernichtungslager der Nationalsozialisten. Für die meisten der 47.035 Jüdinnen und Juden war es eine Fahrt ohne Wiederkehr – nur knapp über 1000 Menschen sollten den organisierten Massenmord des NS-Regimes überleben.
In den 1970er Jahren abgerissen, geriet der ehemalige Aspangbahnhof beim Großteil der Wienerinnen und Wiener in Vergessenheit. Erst im Zuge der in den 1980er Jahren in Österreich langsam einsetzenden Aufarbeitung nationalsozialistischer Verbrechen wurde mit ersten Unternehmungen begonnen diesen Ort wieder in das Bewusstsein der Bevölkerung zu rücken. Ein Gedenkstein erinnert seit 1983 an die organisierten Transporte in die Vernichtungslager; 1995 wurde der Platz in „Platz der Opfer der Deportation“ umbenannt. Die Umsetzung eines seit 2004 geplanten Mahnmals ließ allerdings noch bis vor wenigen Tagen auf sich warten. Seit 7. September ist das Gelände des Leon-Zelman-Parks nun endlich um ein Mahnmal im Gedenken an die Opfer der Deportation reicher.
„Symbol für das Grauen der Deportationen“
Das von dem Künstlerduo „PRINZpod“ (Brigitte Prinzgau und Wolfgang Podgorschek) gestaltete Mahnmal erinnert in Form von zwei konisch zulaufenden Betonsträngen an Gleise, die in einem sieben Meter langen Betonsarg münden. „Ein dreidimensionales Symbol für das Grauen der Deportationen“ – „eine Reise ins Nichts“ wie es im Jurystatement zum Gewinnerentwurf heißt.
PRINZpod selbst betonten dem Grauen keine Gestalt geben zu können. „Wir können aber dazu beitragen, das Vergessen nicht zuzulassen.“
Nicht vergessen sollte man in diesem Zusammenhang, dass die Schoah nicht nur in fernen Vernichtungslagern stattgefunden hat, sondern eben auch „mitten in der Stadt, vor den Augen der Bevölkerung“, betonte Historikerin Heidemarie Uhl im Rahmen der Eröffnung. Ein Zeitzeuge erinnerte sich an die Fahrt von einem der vier städtischen Sammellager zum Bahnhof. Der Mann ist einer von 1.073 Überlebenden. Eine Zahl, die ebenso wie die Zahl der Opfer – eingraviert in den Betonschienenstrang – so gut wie nichts über die individuellen Geschichten der Opfer verrät.
Um nicht zu vergessen bedarf es allerdings auch reger Vermittlungstätigkeit. Künftig sollen unter anderem noch weitere Straßen und Gebäude im Bezirk an die Opfer, an die Zeit des Terrors erinnern. Die Veranstaltung „Initiative Aspangbahnhof“ gedenkt jedes Jahr am 9. November vor Ort der Ermordeten. Ihre Namen fanden sich akribisch in den Listen der Nationalsozialisten notiert. Oft das letzte Lebenszeichen. In den Lagern verliert sich ihre Spur. Erst einmal in den Lagern Opole, Kielce, Modliborzyce, Lagow/Opatow, Litzmannstadt, Kaunas, Minsk, Riga, Izbica, Wlodawa, Maly Trostinez, Sobibor, Theresienstadt und Auschwitz angelangt, kam es durch die nationalsozialistischen Vollzieher der Massenmorde zur Selektion in Arbeitsfähige und zur sofortigen Tötung Bestimmter; ein rampenartiger Weg, der die Schienenstränge des Mahnmals im oberen Drittel kreuzt nimmt darauf Bezug. Wer sie überschreitet ist zwar schneller am Ziel, sollte sich aber trotzdem die Zeit nehmen zu verweilen und den Opfern zu gedenken. Gerade im Hinblick auf erstarkenden Ausländerhass und Nationalismus erscheint das Mahnmal Aspangbahnhof in Bezug auf die Gegenwart traurig aktuell. Der Weg zur Massenvernichtung beginnt oft scheinbar harmlos – mit Worten.
Mahnmal Aspangbahnhof
Leon-Zelman-Park
1030 Wien
http://www.koer.or.at/projekte/mahnmal-aspangbahnhof/
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