Soeben erschienen ist ihr neues Buch: „Gut gekühlt ist fast geerbt“, ein Kriminalroman über eine neu gefundene Freundschaft von zwei Damen im besten Alter und eine Leiche – nicht zum Dessert, sondern vielmehr der Auslöser einer wahnwitzigen Odyssee durch eine kleine Ortschaft im idyllischen Oberösterreich.

Wie es zu dieser Geschichte kam, was Großmütter über Mörder wissen und warum Frauensolidarität wichtig ist, darüber sprach die Autorin mit der Kulturfüchsin. Nicht zuletzt ein Aufruf über respektvolles Miteinander und von der Kraft des positiven Denkens.

In deinen beiden Romanen stehen Menschen im Mittelpunkt, die gerade in einer Krise stecken und deren Leben dabei ist durch eine Reihe von zum Teil absurden Zufällen eine Wendung zu nehmen. Dir selbst wurde vor Jahren ein Gehirntumor und eine damit verbundene Wahrscheinlichkeit keine Kinder bekommen zu können prognostiziert. Heute bist du Mutter von drei Kindern und hast drei Bücher veröffentlicht. Kannst du mit den Schlagworten „Veränderungen annehmen“ und „im Leben offen bleiben“ etwas anfangen? Zwei Parolen, die ich für die Protagonisten in deinen Romanen für zentral halte.

Ich finde, dass es im Leben schon genügend Schweres gibt. Ich mag bei Büchern eine gewisse Leichtigkeit. Das heißt nicht, dass es keine Komplikationen geben kann, aber das Leichte stand und steht für mich immer im Vordergrund. Positiv zu denken ist mir nie allzu schwer gefallen. Ich selbst bin ein unkomplizierter Mensch, der sehr lösungsorientiert denkt. Im Leben ist man wie bei einem Spiel ständig mit neuen Zusammensetzungen konfrontiert und muss lernen mit diesen veränderten Begebenheiten weiter zu spielen. Mein letztes Buch hätte ursprünglich ein sehr trauriges werden sollen, eine Liebesgeschichte über eine Frau, die nach dem Tod ihres Mannes in ein tiefes Loch fällt und sich nach und nach da wieder raus kämpft. Aber schon in den ersten zehn Seiten bin ich wieder ins Positive abgedriftet. Es ist spannend, dass sich beim Schreiben oft komplett andere Wege ergeben. Das ist wie eine Reise.

Eine „Reise“, auf der die Protagonisten oft in reichlich schräge Situationen geraten. Welche Rolle spielen für dich Humor und Selbsthumor? Deine Figuren nehmen sich selbst zumeist nicht allzu ernst.

Selbsthumor ist eines der wichtigsten Dinge. Eben, weil man sich nur dadurch die Leichtigkeit im Leben bewahren kann. Über sich selbst zu lachen beinhaltet nicht zuletzt, dass man über sich Bescheid weiß und sich seine Schwächen besser verzeihen kann. Vielleicht hat das auch mit meinen Kindern zu tun: Ich mag es, wenn etwas sprudelt, lustig und manchmal eben auch schräg ist. Das Leben ist ja auch reichlich schräg. Auch bei dem aktuellen Buch sind viele Geschichten wahr – ein paar dieser kleineren Szenen sind auf die eine oder andere Art so gewesen.

„Gut gekühlt ist fast geerbt“ ist ein humoristischer Krimi geworden. Weißt du, ob Leute aus dem Ort das Buch gelesen haben und wenn ja, wie war das Feedback?

Die Bibliothekarin des Ortes hat es gelesen und mir gesagt, sie findet es gut, dass es so schräg ist. Obwohl die Personen im Buch durchaus den typischen Charakteren eines Dorfes entsprechen, habe ich aufgepasst, dass es keinen dieser Charaktere im Buch in dieser Form tatsächlich jemals gegeben hat, damit sich niemand angesprochen fühlt. Ich glaube aber viele Leute finden es durchaus cool, dass die Geschichte in ihrem Ort spielt.
Sierning ist tatsächlich Schauplatz mehrerer Morde gewesen. Es gab zum Beispiel die Hammer-Morde von dem Engleder. Meine Oma hat mir diese Geschichte erzählt. Sie musste oft diesen Weg gehen, wo diese Morde geschehen sind. Das war ihr natürlich unheimlich. Einmal hat sie sich gedacht, Gott sei Dank, da vorne kommt der Herr Engleder, der beschützt mich. Jahre später hat sich herausgestellt, dass er es war, der die Morde begangen hat.

Wie hast du es mit der Recherche gehalten? Gerade in einem Krimi gibt es viele Details zu beachten.

Ich muss gestehen, meine Recherche war am Anfang eher schleißig. Als ich den Roman am Ende – unter anderem mit mehreren Ärzten – nochmals durchgegangen bin, musste ich noch vieles umändern. Mir war zum Beispiel nicht klar, dass die Leichenstarre so bald aufhört. Ich hatte mir auch keinerlei Gedanken darüber gemacht, ab wann sich die ersten Totenflecken zeigen oder was genau im April blüht. Während des Schreibens habe ich eher auf die zwischenmenschlichen und menschlichen Sachen geachtet und das mit mehreren Leuten besprochen – ob es beispielsweise logisch ist, wie sich die Figuren verhalten. Natürlich ist die Geschichte komplett an den Haaren herbeigezogen, aber rein theoretisch könnte sie sich ereignen.

In ihrem Buch „A room of one’s own“ spricht Virginia Woolf davon, wie schwer es ist für Frauen sich eigene Räume zu schaffen?. Du selbst schreibst zu Hause. Wie schaffst du dir deine Privatsphäre – dein Zimmer für dich alleine – um schöpferisch tätig zu sein?

Im Prinzip mache ich alles was mit Schreiben zu tun hat nebenher. Ich habe weder Zimmer, noch Schreibtisch. Mein Laptop steht zwischen dem Obst- und dem Brotkorb. Er ist immer aufgeklappt und wenn die Kinder Hausübung machen oder die Kleineren malen, dann schreibe ich ein bis zwei Seiten, die vorher in meinem Kopf entstanden sind. Bei „Gut gekühlt ist fast geerbt“ habe ich viel am Abend geschrieben. Das ging für circa eine halbe Stunde gut, dann war wieder ein Kind wach. Das Buch war von allen meinen Kindern sicher die schwerste Geburt. Mein Mann hat die ganze Zeit gearbeitet, meine Eltern leben nicht in Wien, da bleiben wenig Freiräume. Sobald du Kinder hast, ist vieles noch so wie es früher war.

Du selbst bist in den sozialen Medien aktiv. Sei es auf Facebook oder als Bloggerin. Wie stehst du dem heutigen Trend gegenüber, vom kreativen Schaffensprozess bis zur Selbstvermarktung für alles rund um die Uhr selbst zuständig zu sein. Ist das ein Spagat, der überhaupt zu schaffen ist?

Ich arbeite zwar für einen großen Blog, betreibe ihn aber nicht selbst. Wenn ich sehe, was da dahinter steckt, was man alles beachten muss, dass so etwas gut läuft, das wäre für mich nichts. Mich überfordert diese ganze Selbstvermarktung eher.

Du bist Mitglied im sozialen Medien-Netzwerk „Wiener Wunderweiber“. Was macht für dich ein Wunderweib aus?

Dieses Netzwerk ist eines der wenigen Dinge, die ich auf Facebook wirklich großartig finde, weil es auf Frauensolidarität beruht. Leider herrscht unter Frauen oft ein starkes Konkurrenzdenken, auch, weil es darum geht, verstärkt in Männerdomänen einzudringen. Ich halte allerdings gegenseitige Unterstützung für sinnvoller als das Zurückhalten von Ideen. So etwas schwächt nicht nur die Einzelne, sondern auch gesamt betrachtet. Zudem achtet Ulrike, die Betreiberin, sehr darauf, dass der Umgangston stimmt. Das ist in einer Welt, in der durch die Anonymität der Kommentare schnell über das Ziel hinaus geschossen wird, etwas, das leider extrem wichtig geworden ist. Ich habe unlängst bei einer Blog-Geschichte erlebt, dass ich persönlich sehr harsch angegangen worden bin. Im ersten Moment ist man schockiert und dann kommt man in so einen Rechtfertigungsmodus. Bei den Wunderweibern bekommst du zwar auch eine Meinung vermittelt, aber in einer Art und Weise, so dass du sie annehmen kannst.

In deinem zweiten Buch sowie in deinen Blog-Geschichten stehen deine Kinder und deine Familie im Mittelpunkt. Wie kam es dazu, dass du angefangen hast eure Erlebnisse aufzuschreiben?

Meine Tochter musste ein paar Tage auf der Neonatologie liegen. Ich hatte dort kein Bett, sondern nur eine Couch, und wollte aber unbedingt bei ihr bleiben. Um nicht wahnsinnig zu werden, habe ich beschlossen ein paar Geschichten aufzuschreiben, die ich bereits mit meinen zwei anderen Kindern erlebt habe. Ich habe keine Fotoalben und bin auch nicht der Typ, der alles in ein Babybuch einträgt. Ich dachte, ich schreibe für sie die lustigsten Geschichten auf, die wir erlebt haben, damit ich ihnen etwas mitgeben kann. Daraus ist dann das Buch entstanden und daraus wiederum die Blog-Einträge. Zuerst beim Oberösterreichischen Familienbund und jetzt schreibe ich für die kleine Botin die so genannten Freitagsgeschichten.

Was sagen deine Kinder zu den Geschichten?

Sie finden sie lustig. Ich erzähle sie ihnen vorab und hole mir ihr okay. Aber wehe, es ist etwas nicht ganz so wie es war. Da korrigieren sie mich sofort. Die ganz peinlichen darf ich natürlich nicht schreiben. Vor allem für die Große ist das wichtig – sie wird zehn.

Was würdest du dir im Umgang mit Kindern und Mutterschaft von der Gesellschaft wünsche?

Einen Haushalt mit Kindern zu führen, für die Erziehung verantwortlich zu sein, ist der Härtejob schlechthin. Das beinhaltet so viele unterschiedliche Komponenten. Ich würde mir mehr Wertschätzung in allen Richtungen wünschen, wenn eine Frau sich entscheidet arbeitet zu gehen, aber auch wenn sie bei den Kindern bleiben möchte. Da gibt es immer noch Leute, die das von oben herab kritisieren. Wir urteilen generell viel zu schnell, wenn wir jemanden kennenlernen. Vor allem, wenn er oder sie womöglich vielleicht sogar noch eigene Schwachstellen anspricht. Man sollte anderen Menschen gegenüber mit mehr Wertschätzung begegnen und auch weniger vergleichen.

Du hast bei deinen Blog-Geschichten und Büchern von Beginn an mit einer Grafikerin zusammengearbeitet. Welche Rolle spielt für dich die grafische Gestaltung und wäre ein Kinderbuch auch etwas, dass du gerne einmal umsetzen wollen würdest?

Meine Grafikerin, die Susanne Binder, ist meine Schwägerin. Wir haben beide klein angefangen und sind mit den Geschichten gewachsen. Mittlerweile nimmt sie auch Aufträge an. Ich mag es sehr, dass sie es in ihrer ganz eigenen Art und Weise schafft, eine ganze Geschichte in ein Bild zu packen. Wir überlegen oft wegen eines Kinderbuchs, aber sie wohnt in Vöcklabruck und wir sehen uns wenig. Ideen hätten wir viele.

Gibt es schon ein konkretes nächstes Projekt?

Das wird wieder etwas Autobiographisches, es geht um meine Oma, die ins Altersheim will. Aber dann gar nicht so glücklich dort ist, weil sie sich das mehr wie ein Hotel vorgestellt hat. Außerdem hat sie Angst an Demenz zu leiden und dass es ihr noch niemand gesagt hat. Auf der Fahrt zu ihrer Schwester lernt sie einen jungen Mann kennen, der in einer WG lebt und der sie überredet für einen Monat dort einzuziehen. Als Gegenleistung verspricht er ihr eine Art Gutachten über ihren Geisteszustand zu erstellen. Weder ihre Enkelin, noch die anderen Mitbewohner oder das Heim sind darüber glücklich. Ich finde das ist ein guter Weg das Thema der altersunterschiedlichen WGs in Form eines lustigen Romans zu verpacken. In Österreich gibt es solche Wohngemeinschaften im Gegensatz zu anderen Ländern leider noch nicht.

Zur Persons
Alva Sokopp wurde in Oberösterreich geboren. Nach einer Ausbildung zur
Sonder- und Heilpädagogin arbeitete sie zunächst mit psychisch kranken
Erwachsenen. 2007 folgte eine Ausbildung zur Stresspräventionstrainerin und
Craniosacral-Praktikerin. 2014 erschien ihr erstes Buch „Ein Leben in 23 Tagen“.
2015 folgte „klein-groß-mittel: ... und das dritte Kind schläft durch“. 2017 folgte
„Gut gekühlt ist fast geerbt“. Sie lebt mit ihren drei Kindern und ihrem Mann in Wien.

Sokopp, Alva: Gut gekühlt ist fast geerbt. Braumüller Verlag: Wien 2017. ISBN 978-3-99200-195-8. Euro 18.

Mehr Geschichten von Alva Sokopp gibt es jeden Freitag in „Die kleinen Botin“.

Lesung:
30. November 2017, 19.00 Uhr
Deli Bluem
Hamerlingplatz 2
1080 wie

© Zeichnungen: Susanne Binder

Geschrieben von Sandra Schäfer