Bedrohung der Arbeitsplätze, Versagen bei einer gerechten Vermögensverteilung und eine Wirtschaft, die auf Quantität statt Qualität setzt – die Angst vor der Zukunft ist bei vielen groß. Gerechtfertigt? Betrachtet man die Entwicklungen, die mit der zunehmenden Digitalisierung einhergehen, zumindest verständlich. Der Wunsch nach Veränderung ist nicht zu überhören. Oftmals geht dieser Wunsch jedoch mit rückwärtsgewandter Gesinnung und der Suche nach einem Sündenbock einher. Technischer Fortschritt lässt sich allerdings schwer aufhalten. Was einst für die industrielle Revolution galt, lässt sich auch auf die digitale Moderne anwenden. Es benötigt Bildung, Selbstermächtigung sowie Menschen, die sich kritisch mit aktuellen Entwicklungen auseinandersetzen und so neue Wege aufzeigen wie alle von den Veränderungen profitieren können. Rückbesinnung ist per se nichts Schlechtes, wenn es um soziale und humanistische Werte geht. Doch gerade in diesem Feld scheint es oftmals zu mangeln. Die Möglichkeiten der digitalen Moderne dahingehend positiv zu wirken erscheinen unterdrückt, unterschätzt; die breite Bevölkerung schlicht uniformiert. Eine Lücke, die es für die Veranstalter der „Vienna Biennale“ zu schließen gilt. Um für die Zukunft gerüstet zu sein benötigt es neben einer der Zeit angemessenen Bildungspolitik, auch eine Gesellschaft, die über Handlungsmacht verfügt und sich ihrer Gestaltungsmöglichkeiten bewusst ist.

Ziel der diesjährigen Biennale – der ersten, die Kunst, Design und Architektur miteinander verbindet – ist es die von der digitalen Moderne ausgelösten Veränderungen zu erforschen und humanere Nutzungsmöglichkeiten aufzuzeigen. Es heißt: „jetzt schon zu diskutieren, damit wir in zehn Jahren nicht mit Dingen konfrontiert sind, die nicht ideal sind“, bekundete Christoph Thun-Hohenstein, Direktor des Mak (Museum für angewandte Kunst), das die Biennale gemeinsam mit der Universität für angewandte Kunst, der Wirtschaftsagentur, der Kunsthalle Wien und dem Architekturzentrum ins Leben rief, bei der Pressekonferenz.

„Hello, Robot“ – vom Wohnhaus bis zum Telefon

Wie genau der Diskurs beziehungsweise die unterschiedlichen Diskurse aussehen, davon kann man sich derzeit bei mehreren Projekten und Ausstellungen ein Bild machen.
Das Herzstück der „ Vienna Biennale“ bildet dabei die Präsentation im Mak: „Hello, Robot“. Mit mehr als 200 Exponaten wird Design zwischen Mensch und Maschine untersucht. Dabei wird schnell deutlich: Design spielt eine wesentliche Rolle, wenn es um die Interaktion zwischen Mensch und Maschine geht. Wobei – und das ist die große Erkenntnis, die man als Besucher oder Besucherin bei der Ausstellung gewinnt – unser Vorstellungen von Maschine und Roboter oftmals veraltet sind beziehungsweise sich an der populären Filmkultur orientieren. So findet sich dazu passend im ersten Teil der Schau ein Überblick über bekannte (Film)Roboter der Geschichte – von der künstlichen Frau aus „Metropolis“ bis hin zu den „Transformers“ – Maschinen, die zerstören, Maschinen, die dienen und dazwischen Bender, der beliebte Roboter aus der Science-Fiction-Zeichentrickserie „Futurama“, der einfach nur säuft. Eine derartige Hang-Loose-Einstellung bildet in der Welt der Roboter allerdings eher die Ausnahme. Viele der Maschinen wurden kreiert um uns im Alltag zu helfen. Die Palette ihrer Einsatzmöglichkeiten erstreckt sich heute von der Übernahme gefährlicher und monoton zermürbender Arbeiten über ihre Funktion als Gesellschafter für einsame Menschen (zu sehen ist u.a. die Robbe Paro, die in Babygröße zum Kuscheln designt wurde und dabei mit dem Menschen interagiert) bis hin zur Technik, wie beispielsweise Prothesen, die dazu geschaffen ist mit dem Menschen eine Synthese einzugehen.

Was oftmals allerdings vergessen wird ist, dass auch Häuser, Städte und Landschaften (unter dem Begriff „Smart City“) zur „Familie“ der Roboter zählen. Nicht zu vergessen unsere Smart Phones – tatsächlich sind Roboter „Wesen“, denen wir heute täglich in unterschiedlichen Formen begegnen. Umso wichtiger, dass in der Bevölkerung dafür ein Bewusstsein herrscht.

Die Arbeit von morgen

Ein Bewusstsein im Umgang mit den Dingen schaffen, darum geht es auch in zahlreichen weiteren Projekten der Vienna Biennale. Von der Ausstellung „Ich weiß nicht“ im Mak Design Labor, die dazu einlädt sich mit den uns umgebenen Objekten, die unseren Alltag formen, auseinanderzusetzen, bis hin zum öffentlichen Arbeitsraum des Architekturzentrums Wien in der Nordbahnhalle, in der sechs international tätige Architektenteams eingeladen wurden gemeinsam mit der Bevölkerung unter dem Motto „Care + Repair“ Prototypen zu entwickeln, die auf Nachhaltigkeit setzen. „Das Projekt Care + Repair weiß, dass Reparieren und Sorgetragen langfristiges Arbeiten für die Zukunft bedeutet“, heißt es dazu in der Projektbeschreibung.

Wie sich die „Logik des Marktes“ durch die „Logik der Gemeingüter und des Gemeinwohls“ ergänzen lässt, will auch das Ausstellungsprojekt der StadtFabrik untersuchen. Mit Hilfe der drei Schlüsselbegriffe „neue soziale Arbeit“, „neue kreative Arbeit“ und „neue nachhaltige Arbeit“ will die Initiative im Mak sowie an diversen öffentlichen Plätzen im Raum aufzeigen „welches Potenzial Design als Werkzeug im positiven Wandel unserer Gesellschaft und Arbeitswelt haben kann“. Als Anschauungsbeispiele dienen u.a. ein Projekt zum „Urban Mining“ – eine Alu-Sammel-Kampagne mit Kunstanspruch – sowie „Urban Oasis“, das sich parasitär an technische Infrastrukturen andockt und die warme Abluft für ein tropisches Gewächshaus nutzt, das von den Bewohnerinnen und Bewohnern der Umgebung bewirtschaftet wird.

Ebenfalls um den Wandel unserer Arbeitswelt geht es in der Ausstellung „How Will We Work“ der Universität für angewandte Kunst, die untersucht wie zum Beispiel Medien unsere Arbeitsbedingungen darstellen, wie sich Beziehungen zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber entwickeln und wie sich neue Effizienz am Arbeitsplatz breit macht.

Die Effizienz beziehungsweise das was der Leistungsdruck mit unserem Körper macht, steht hingegen im Mittelpunkt der Schau, die in der Kunsthalle am Karlsplatz zu sehen ist. Untersucht werden Verschleißerscheinungen ebenso wie Kontrollmechanismen und (Selbst)Disziplinierungsmaßnahmen.

Etwas mehr ins Mythische entrückt erscheinen im Gegensatz dazu die 13 künstlerischen Positionen, die im Mak unter dem poetischen Titel „Artificial Tears“ zu sehen sind. Mäntel von Schamanen, deren Mythologie mit heutiger Technologie in Bezug gesetzt wird, (Sarah Ancelle Schönfeld), geschlechtslose Menschenkinder der Zukunft (Jean-Marie Appriou) und symbolische Darstellungen menschlicher Emotionen (Matt Mullican) stellen Überlegungen dazu an wie eine Welt aussieht, in der der Mensch durch sich selbst optimierte künstliche Intelligenz Unsterblichkeit erlangt hat – eine Vorstellung eben so anziehend wie abstoßend. Wie sagte schon der Science-Fiction-Autor Arthur C. Clarke: „Es gibt zwei Möglichkeiten: Wir sind entweder allein im Universum oder wir sind es nicht – beide sind gleichermaßen furchteinflößend“. Während die Zusammenkunft mit Außerirdischen jedoch in weiter Ferne liegen dürfte, so gilt es doch sich bewusst zu machen, dass die Weichen in Richtung Gefahr einer Singularität (eine Superintelligenz) längst gestellt sind. Auf letzteres verweist auch Christoph Thun-Hohenstein: „Wir haben keine Ahnung in welchem Forschungslabor derzeit daran gebastelt wird. Und ich dramatisiere das gar nicht“.

Vienna Biennale 2017. Roboter. Arbeit. Unsere Zukunft.
Noch bis 1. Oktober 2017
www.viennabiennale.org

Hello Robot. Design zwischen Mensch und Maschine
Eine Ausstellung des Mak, des Vitra Design Museums und des Design Museums Gent
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Artificial Tears. Singularität und Menschsein – Eine Spekulation
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StadtFabrik. Neue Arbeit. Neues Design
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Ich weiß nicht – wie die Beziehungen zwischen den Dingen wachsen
Noch bis 1. Oktober 2017
Mak (Museum für angewandte Kunst)
Stubenring 5
1010 Wien
www.mak.at

How Will We Work
Noch bis 27. September 2017
AIL – Angewandte Innovations Lab
Franz Josefs Kai 3
1010 Wien
www.ailab.at

Work it, Feel it!
Noch bis 10. September 2017
Kunsthalle Wien
Karlsplatz
1010 Wien
www.kunsthallewien.at

Care + Repair
Noch bis 31. Juli 2017
Nordbahnhalle, Ecke Leystraße/Taborstraße, Nordbahnhof Wien
1020 Wien
www.azw.at

 

Geschrieben von Sandra Schäfer