Neugierig sind die Blicke des Publikums auf die junge Pianistin Maria Theresia Paradis (überzeugend: Maria Dragus) gerichtet. Von ihren Eltern den neuesten Moden des Rokokos folgend hübsch herausstaffiert, gibt das Mädchen, das seit ihrem dritten Lebensjahr blind ist, ein Konzert für die feine Gesellschaft. Die Augen der jungen Frau sind von einer medizinischen Kur gerötet, ihre Bewegungen außerhalb der Norm. „Schönheit ist sie keine“ flüstert man im Publikum. Die Kunst des Klavierspielens beherrscht sie dafür umso mehr. Eine Fähigkeit, die ihr eine Gnadenpension der Kaiserin eingebracht hat, wie der Vater betont. In einer Zeit, in der das Bürgertum danach strebt die Sitten des Hofes zu kopieren nicht nur eine finanzielle Absicherung, sondern auch eine besondere Ehre. Doch während Resis vermeintliche Freundinnen davon sprechen wie sich junge Damen Männer angeln, scheint das Mädchen von dieser Art des Lebens ausgeschlossen. Als „Exotin“ herumgereicht entspricht sie nicht dem Bild der Weiblichkeit der Zeit.

Ist es trotz allem möglich ein Leben zwischen ersehnter Angepasstheit, dem Wunsch dazu zu gehören,  und individueller Verwirklichung als talentierte Musikerin zu führen? Als die Therapien des von ihren Eltern als letzte Hoffnung engagierten Wunderarztes Franz Anton Mesmer ihre erste Wirkung zeigen, ist die junge Künstlerin genötigt sich eben diese Frage zu stellen. Mit der Rückkehr des Augenlichts fällt es der leidenschaftlichen Pianistin immer schwerer sich auf ihr Klavierspiel zu konzentrieren. Der Belastung durch ihre (elterliche) Umgebung scheint sie sowie ihren eigenen Ansprüchen nicht mehr gewachsen. Gleichzeitig fühlt sich das Mädchen im Haus des Arztes zum ersten Mal in ihrem Leben frei. Doch auch Mesmer selbst steht unter enormem gesellschaftlichen Druck. Nur allzu groß ist der Wunsch in ihm mit seiner Lehre von der medizinischen Fakultät anerkannt werden. Die Anzahl der Neider ist groß. Vor allem ein Arzt, der das Fräulein Paradis davor mit unnötig schmerzhaften „Kuren“ behandelt hat, intrigiert.

Historisch aber aktuell

In „Licht“ erzählt Regisseurin Barbara Albert nach eigener Aussage „von einem gesellschaftlichen System, das auf Verhinderung und Unterdrückung aufgebaut ist – und von Frauen, die versuchen, damit zurecht zu kommen und ihren eigenen Raum und ihre Freiheit innerhalb dieser restriktiven Strukturen zu finden“.

Etwas, das auch heute vielen bekannt vorkommen dürfte. In diversen Interviews sprach Albert immer auch über den Gegenwartsbezug des Films. Neben einem System der Repression, einer herrschenden Gesellschaft der Angepassten, die definiert wie wir die Welt zu sehen haben (als Resi beispielsweise die Schönheit eines Erdhaufens entdeckt, heißt es das sei nur Mist) thematisiert „Licht“ nicht zuletzt den langen Weg zu sich selbst. Eine Reise mit Umwegen, nicht immer vom erhofften Erfolg gekrönt.

Mesmer – der in der literarischen Vorlage „Am Anfang war die Nacht Musik“ von Alissa Walser einen weitaus größeren Platz als im Film einnimmt – blieb der von ihm herbeigesehnte Ruhm zu Lebzeiten verwehrt. Als Vordenker dient der Magnetiseur allerdings bis heute regelmäßig als Inspirationsquelle für Figuren in Romanen und Filmen. Maria Theresia Paradis hingegen scheint von der Öffentlichkeit weitgehend vergessen. Ein Frauenschicksal? Während die Geschichte und die Musik eines anderen Wunderkindes der Zeit, Wolfgang Amadeus Mozart, hinreichend bekannt sind, sind viele der Kompositionen von Paradis verschollen. Für den Film hat Sonja Leipold mehrere Stücke der Komponistin und im Laufe ihres Lebens erfolgreichen Pädagogin eingespielt. Eine Neuentdeckung eines ungewöhnlichen Frauenlebens Ende des 18. Jahrhunderts. Ansehnlich von Ausstatterin Katharina Wöppermann und Kamerafrau Christine A. Maier in Bild und Szene gesetzt. Sehenswert!

Licht. Ein Film von Barbara Albert. Mit Maria Dragus, David Striesow, Lukas Miko, Katja Kolm, Maresie Riegner, Johanna Orsini-Rosenberg u.v.m. Österreich/Deutschland 2017. 97 Minuten

Kinostart: 10. November 2017

© Christian Schulz/Nikolaus Geyrhalter Filmproduktion

Geschrieben von Sandra Schäfer